Zitat von DieSeherin: ich hoffe, dass ich mir genau diese naivität behalte, weil das für mich die erstrebenswerteste form (m)einer liebe/beziehung ist
Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich dadurch zwar rationaler, aber auf gewisse Weise auch erwachsener, authentischer lieben kann als früher. Und weniger selbstsüchtig, weil ich mir ja inzwischen auch selbst Liebe schenken kann.
Zitat von paulaner: Egal, was der andere mir antut...ich bekomme es in dem Moment mit.
Es gibt auch sehr undurchschaubare Formen psychischer Gewalt, oder das Veruntreuen von gemeinsamem Geld, und andere Dinge die erst im Nachhinein deutlich werden, bzw. deren Ausmaß erst spät offenbar wird. Klar, zu solchen Kalibern gehört für mich auch anhaltendes Betrügen in emotionalen Langzeitaffären (aber eben nicht beispielsweise ein Seitensprung oder rein S. motivierte wechselnde Affären). Und ich bin da natürlich auch ganz bei dir dass das umfassende und wiederholte Vorenthalten der Realität das Kernproblem darstellt und großes beziehungszerstörendes Potential hat.
Aber eigentlich wollte ich in dem Beitrag, an dem sich die Diskussion so entzündet hat, nur meine Irritation über die weit verbreitete Pauschalaussage Fremdgehen ist das Schlimmste was einem in einer Beziehung passieren kann zum Ausdruck bringen und darüber hinaus akut Betroffenen Möglichkeiten aufzeigen, für sich selbst Perspektivwechsel auszuprobieren welche bei der Bewältigung des Schmerzes helfen können. Und eben
nicht, wie mir nun mehrfach untergeschoben wurde, damit ausdrücken, Betrogene sollten sich mal nicht so anstellen, es gebe ja Schlimmeres.
Zitat von paulaner: Weil dadurch etwas zerstört wird, was man im Idealfall schon als Kind gelernt hat: Das unbedingte Urvertrauen.
Diesen Begriff lese ich hier öfter. Nach meinem Verständnis ist Urvertrauen etwas, das Säuglinge ausbilden, sofern sie von ihren Bezugspersonen angemessen emotional und körperlich versorgt werden - in dieser Phase entsteht Urvertrauen sozusagen als Basis für die spätere Entwicklung von Selbstvertrauen und der Fähigkeit, die Vertrauenswürdigkeit anderer einzuschätzen. Es ist somit auch die Basis für unsere individuelle grundlegende Bindungsfähigkeit.
Soweit ich weiß, kann einmal ausgebildetes Urvertrauen nicht nachträglich zerstört werden. Vielmehr gelingt es Menschen mit gesund ausgebildetem Urvertrauen besser, mit Krisen und Trennungen im Leben zurecht zu kommen, da sie ja eben ein gesundes Grundvertrauen darauf haben, einen Platz in der Welt zu haben und liebenswert zu sein, und über grundsätzlich gut entwickelte und gesunde Beziehungsfähigkeit verfügen.
Nicht oder nur unzureichend ausgebildetes Urvertrauen (z. B. durch frühkindliche Vernachlässigung oder emotional instabile Bezugspersonen) führt dementsprechend zu Störungen in der Ausbildung von Bindungsfähigkeit, Selbstvertrauen, Sozialkompetenz und genereller Persönlichkeitsentwicklung. Davon Betroffene haben in der Folge entsprechend häufiger problematische, toxische und dysfunktionale Beziehungsmuster - logisch. Wenn man zugrundelegt, dass möglicherweise Menschen mit weniger gut entwickeltem Urvertrauen dementsprechend auch stärker dazu neigen dürften, sich in ungesunde Beziehungen zu begeben (z. B. Affären), kann man vielleicht ja auch mal über den Tellerrand der rein moralischen Bewertung hinwegschauen.
Zitat von Johanna15: Wenn ich von solchen Dingen ausgehen muss, entbehrt das ja sämtlichen Möglichkeiten, zu vertrauen, gemeinsam etwas aufzubauen und schlussendlich auch eine Partnerschaft zu genießen, da man durch die oft zelebrierte Geheimhaltung ja nie weiss, wann es soweit ist, dass wer anders im Spiel ist.
Ein grundlegendes Bewusstsein, dass (mir) sowas in einer (jeder) Beziehung passieren kann, hindert mich doch nicht daran, meinem Partner zu vertrauen, mit ihm etwas aufzubauen oder die Partnerschaft zu genießen.
Genau wie umgekehrt die Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass sowas passieren kann, ja auch nicht verhindert, dass es passiert.
Zitat von alleswirdbesser: Würdest du ihn dir im Notfall nicht helfen lassen? Wer darf dich dann retten? Feuerwehr? Polizei? Notarzt? Und der Partner, der da ist, darf nur zuschauen?
Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht was ich auf diese Fragen antworten soll. Sind die ernst gemeint?
Ich bin von einem Ex, den ich wirklich zu kennen glaubte und auf dessen Loyalität ich meinen rechten Arm verwettet hätte, in einer Zeit als es mir sehr schlecht ging und ich seinen Schutz gebraucht hätte, auf schäbigste Weise im Stich gelassen und zusätzlich noch mit Schuldumkehr traktiert worden.
Daraus zog ich für mich die Lehre, dass ich seither keine Gliedmaßen mehr auf die Loyalität von jemandem verwette, nur weil ich diese Person sehr liebe und mit ihr alt werden will. Ist das so verständlicher formuliert?
Zitat von So-What: mir ist klar, dass das der Preis sein kann, wenn ich mich auf jemand einlasse. Und ich tue es trotzdem
Ja! Für mich fühlt sich das insgesamt freier an in meiner Entscheidung für einen Menschen, weniger erwartungsbehaftet. Schwer zu beschreiben. Ein Bewusstsein darüber, dass ich ebenfalls Verantwortung für mein Vertrauen trage, und nicht nur die Person, der ich mein Vertrauen schenke.
Zitat von darkenrahl: Aber eine wirklich stichhaltige Begründung, warum man eine Affäre sorglos und respektlos beginnt... habe ich immer noch nicht bekommen.
Könnte das vielleicht auch damit zusammenhängen, dass du von deiner theoretischen Warte aus nicht als stichhaltig gelten lassen würdest, was die tatsächlich praktisch Betroffenen in diesem Moment und in ihrer Situation für sich als stichhaltig empfunden haben?