6. Dezember
Ein Brief vom Nikolaus
von Gudrun Wenig
Inzwischen trag ich roten Plüsch
Und wechselweise grau und weiße Bärte
Und wenn ich meine Stimme hebe
Liegt sie im Streit mit Ladenkassen
oder mit digitalen Kinderchören.
Ja, das habt ihr aus mir gemacht!
Ich, der ich damals, wie der eine oder andere noch weiß,
dereinst als Bischof durch die Lande ritt
um armer Leute Kinder zu beschenken.
Ihr Menschen handelt eben so, mit dem der gibt!
Es fällt euch leicht, ihn gänzlich zu benutzen.
Und hätten mich die Kinder nicht,
das tun sie oft, wenn sie der Wirklichkeit entfliehn,
mit einem Mantel ihrer Märchenhaftigkeit umhüllt,
Ich hätte vielleicht gar nicht überlebt,
Jedoch, verachtet mir die Märchen und Legenden nicht,
denn da wird noch gerecht geteilt,
in gleicher Weise zwischen Zorn und Güte,
und Angst und Freude und zwischen Liebe oder Trauer.
Es ist nicht meine Schuld, dass es auf Erden anders ist.
Ihr einflussreichen Leute dieser Stadt,
so lasst mich ziehn,
durch eure Straßen, eure Weihnachtsmärkte
und wenn ihr mir begegnet so erkennt in mir
nicht nur Symbol von sattem Gleichmut und von Überfluss.
Es ist nicht wichtig, ob ich echt bin oder falsch,
verwendet ihr nur einen Augenblick darin, zu hoffen,
dass jene Kinder, denen ich noch niemals etwas schenkte,
nicht in den Häusern eurer Straßen wohnen.
Eine wichtige Botschaft
Der heilige Nikolaus verstaute die letzten Päckchen auf seinen Schlitten, zurrte das Seil fest und stieg auf seinen Kutschbock. Seine Rentiere waren gefüttert, gestriegelt und schnaubten mit freudiger Erwartung Dampfwolken in die eisige Nacht.
"Seid ihr bereit meine Freunde?" rief er laut und die braven Tiere nickten. Sie kannten ihre Bestimmung und ihr Herr war ein guter Mann der eine wunderbare Aufgabe hatte. Er machte die Menschen, besonders die Kinder glücklich.
Mit großem Gebimmel sausten die Tiere über das blanke Eis und nahmen immer mehr Fahrt auf. Der Nikolaus blinzelte und plötzlich hoben sich die Tiere in den Himmel, gewannen immer mehr an Höhe und flogen im Galopp durch die Nacht. Die Sterne funkelten am Himmelszelt und als das Schlittengespann ihre Flughöhe erreicht hatte, schwebte sie lautlos und leicht wie Schneeflocken dahin.
Der Nikolaus war nach einiger Zeit etwas eingenickt. Er konnte seinen Tieren vertrauen, sie kannten den Weg. Plötzlich wurde das Gespann unruhig und der Nikolaus war sofort hellwach.
Er sah gleich warum seine treuen Gesellen Alarm schlugen. Weit unten im Eismeer trieb eine lose Eisplatte mit zwei kleinen Eisbären. Die Eisbärenmutter schwamm aufgeregt daneben her, sie wollte die Kleinen wieder Richtung Ufer treiben, war aber bereits zu erschöpft. Schnell zog der heilige Mann an den Zügeln und die Rentiere schwebten in einer schrägen Linkskurve hinunter zu der Familie im Wasser.
Mit viel Gefühl dirigierte der Nikolaus sein Gespann und bald berührten die Hufen der Rentiere sanft die Wasseroberfläche und sie galoppierten vorsichtig los. Das Wasser bewegte sich in sachten Wellen und die Eisplatte mit den kleinen Eisbären trieb zum Ufer zurück.
Die Kleinen sprangen sofort auf sicheren Boden und warteten dort mit großem Geschrei auf die Mama. Als diese sich müde aus dem Wasser zog, sprangen sie auf sie zu und erdrückten sie fast vor Freude.
Der Nikolaus und seine Rentiere waren sehr froh, dass sie der kleinen Familie helfen konnten.
"Ich danke dir von Herzen, du guter Gesell" sagte die Eisbärenmama ehrfürchtig. "Meine Kinder spielten und plötzlich brach das Eis und sie trieben fort. Es ging alles so schnell. Das Eis wird immer gefährlicher. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist, als löse sich unser Lebensraum auf. Seid die Menschen uns jagen, beobachten und stören, passieren diese Dinge".
Der Nikolaus nickte traurig. "Ich weiß, es wird sich vieles für euch ändern. Ihr müsst vorsichtig sein und euch bereithalten. Wenn die Menschen ihr Verhalten nicht ändern, seid ihr in Gefahr. Ich bringe jedes Jahr eine Botschaft der Besinnung und bete für euch alle. Die Kinder der Menschen sind meine größte Hoffnung und wenn diese erkennen um was es im Leben wirklich geht, dann habt auch ihr eine Chance."
"Dann wünsche ich dir, dass deine Eingebung in die Köpfe der Menschen dringt und wir alle wieder auf eine gute und
sichere Zukunft hoffen dürfen. Leb wohl" sagte die Eisbärin mit traurigen Augen. Der Nikolaus winkte zum Abschied
und schnell wie der Wind trieb er seine Tiere zurück in die dunkle Nacht. Jetzt war die Zeit gekommen und er musste sich beeilen. Er hoffte so sehr die Kinder nicht nur mit Süßigkeiten zu erfreuen, sondern ihnen ihre verantwortungsvollste und wichtigste Botschaft zu überbringen. Ihre Zukunft.
06.12.2020 19:44 •
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