Ach ja - ich wohn ja gar nicht mehr hier

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Hallo,

Meine Geschichte hab ich ja hier schon in einem anderen Thread erzählt. Möchte deshalb auch nicht mehr darauf zurückkommen.
Aber ich bin halt zur Zeit mit einigen Gefühlen überfordert. Es gibt immer wieder solche Momente, wo ich mich so schlecht fühle wie am ersten Tag der Trennung oder vielleicht noch viel schlimmer, weil ich das Ganze irgendwie jetzt viel bewusster erlebe.
So war's zum Beispiel am letzten Samstag, als ich die Kinder bei meiner Frau für's WE abgeholt habe. Auf dem Weg zur Haustür habe ich zufällig einen Blick auf den Briefkasten geworfen und dabei bemerkt, dass mein Name gar nicht mehr drauf steht. Wie? Wohn ich nicht mehr hier? Das ist doch mein Haus, kann doch gar nicht sein. Oder etwa doch?
Das Haus in dem ich jahrelang gelebt und geschuftet, schöne Jahre mit meiner Familie verbracht und mich wohlgefühlt habe. Mein Zuhause eben. Hätte sie den Namen nicht noch drauf lassen können? Wie kann sie nur so hart sein? Und überhaupt:sie ist noch meine Frau und trägt immer noch meinen Namen. Was soll das also?
Ok, ich weiss schon was ihr mir jetzt antworten werdet. Wohl das Gleiche was mein Kopf mir sagt: stell dich nicht so an, du bist vor drei Monaten hier ausgezogen. Und tu nicht so als wenn du das nicht wissen würdest. Du machst dich ja lächerlich.
Hmm schon klar nur leider ist das alles nicht so einfach. Wenn ich mit meinen Gedanken teilweise schon ziemlich weit bin, so hinken die Gefühle noch mehr als hinterher. Jedes kleine Zeichen, das mir vor Augen führt, dass ich meine Frau endgültig verloren habe, wirft mich erbarmlungslos und mit rasender Geschwindigkeit ins Tal der Tränen zurück. Da hilft mir mein Kopf auch nicht weiter.

Grüsse von taka

11.08.2003 15:56 • #1


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Hallo taka,

glaube mir, das ist normal, leider...
Die Erinnerungen und die Gewohnheit, das ist es, was es uns so schwer macht, einfach mal so loszulassen.
Du wirst noch viele Erlebnisse haben in der Zeit danach, glaub mir.
Ein paar Beispiele von mir: Mein Bruder erzählt mir Details von meiner EX - ich zucke zusammen, war ich nicht derjenige, der diese zuerst erfahren mußte? Ja jetzt nicht mehr, klaro.

Meine EX sperrt jetzt die Wohnungstüre ab, ja sowas, das hat sie noch nie, seit wir zusammen gelebt hatten.

Ich rufe an, keiner geht an den Apparat, dann der/mein Anrufbeantworter: Hier ist der Anschluß von .... aber nicht mehr von mir... neu besprochen von ihr... klar ist nun mal so.

Sie gibt Geld aus für Dinge, wo ich sagen würde - was soll das, sie hat doch ein Fahrrad usw.

Die Kinder erzählen sorglos von ihrem neuen Freund... ich kann es ihnen nicht verbieten - es wirft mich zurück...

Du fährst eine Straße entlang, siehst ein Gebäude, eine Wiese, ein Werbeplakat - und da ist sie wieder, die EX - da Du dies mit einem Erlebnis mit ihr verbindest.

Und es dauert wieder einen kurzen Moment (anfangs eben länger), bis Du tief durchgeatmet hast und Dich dann umprogrammierst und wieder sagst - Gott sei Dank bin ich sie los. Manchmal dauert dies nur 5 Minuten, manchmal 1 Std. und länger.

Jetzt z.B. bekam ich den Scheidungsantrag. Was besseres hätte mir (verstandesgemäß) nicht passieren können. Aber wenn Du Dir durchliest, wie der Anwalt (unser Anwalt) die Dinge verdreht - ich bin sofort schuldig geschieden, wenn man das glaubt, was da steht. Daran hab ich 2 Tage gekaut.

Der alte Senf, den werden wir noch oft durchnudeln, das läßt sich nicht vermeiden. Aber eines kann ich Dir aus eigener Erfahrung sagen - die Dauer des Schmerzes nimmt immer mehr ab!! Und irgendwann werden es nur Sekunden sein, welche Dich das noch interessiert. Gruß, Gerd

11.08.2003 16:57 • #2


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Ach ja - ich wohn ja gar nicht mehr hier

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Hallo taka und Hallo Gerd,

ich hatte meine Trennung im Frühjahr letzten Jahres ziemlich schnell akzeptiert, die letzten Jahre mit meinem Ex waren schwierig, es tat zwar weh dass ich mich 'ausgetauscht' sehen musste, umso mehr als er die letzten beiden Ehejahre zum Aufbau einer neuen Beziehung genutzt hat, aber trotzdem wusste ich damals gleich dass ich ihn nicht zurückwollte, mein Hauptschmerz war die Angst vor dem neuen Leben alleine und ob ich es überhaupt schaffen könnte.

Trotzdem ich also diesen Verlustschmerz ihm gegenüber nicht hatte, bzw. nur sehr kurz, hatte ich mit dem Verlust meines gewohnten Lebens zu kämpfen.

Das Namensschild an der Tür blieb, aber 'mein' Haus veränderte sich ... die Möbel die ich nach der Trennung zurückließ wurden neu arrangiert, meine ein Jahr zuvor genähten Vorhänge abgehängt (damals ein Zeichen von Veränderung und der Versuch unserer Ehe nochmal eine Wendung zu geben), mein Garten verwilderte, die Beeren blieben an den Sträuchern hängen, keiner machte mehr Kuchen, Saft oder Marmelade daraus ... meine Tochter (12) wurde ohne weitere Vorbereitung mit der neuen Freundin des Vaters konfrontiert, sie kam von einer Party nach Hause und hatte ihren Vater plötzlich nicht für sich alleine, in dieser Nacht hat sie sich mehrmals erbrochen ... das Haus wurde mittlerweile verkauft ... das Leben hat sich irgendwie geregelt und zurechtgeschüttelt ... das Kind fährt mit Vater und Freundin in Urlaub und zeigt mir danach stolz die Fotos (und ich will immer noch nicht dieser Frau ins Gesicht sehen, wenn ich auch mittlerweile die erste Begegnung mit ihr souveräner durchstand als mein Ex) ... sie braucht mich aber auch als Gesprächspartner weil sie in dieser neuen Freundin natürlich eine Rivalin sieht die ihr den geliebten Vater streitig macht ... sie mag diese Frau, aber sie kämpft um den ersten Platz ...

und obwohl das neue Leben nach mehr als einem Jahr schon wieder eine gewisse Gewohntheit hat und ich das alte nie mehr zurückwollte ... ich kann jetzt auch kaufen was ich will und ich genieße es niemanden Rechenschaft ablegen zu müssen oder deshalb tagelang ein miesepetriges Gesicht vor mir zu haben ... trotz all dem frage ich mich immer wieder WIE das alles so schnell passieren konnte ... ich schaue mich in meiner Wohnung um und verstehe nicht warum ich hier bin, wieso ist DAS jetzt mein Leben? ... Ausflüge in die Stadt in der wir zusammen gewohnt haben (sie lassen sich wegen der Tochter nicht vermeiden) werden zu einer unangenehmen gedanklichen Zeitreise ... der Anblick 'meines Hauses' schnürt mir die Kehle zu ... dort war mein Leben

Erinnerungen sind unvermeidlich ... diese vergangene Zeit war ein intensiver Teil unseres Lebens ... man hängt so ein Leben nicht einfach ab wie eine alte Jacke und beginnt ein Neues ... auch der ehemalige Partner wird das nicht können ...

ja, und gestern habe ich zum ersten Mal dieses Puky-Dreirad vor dem Haus gegenüber wahrgenommen ... pink, mit hoher Sitzlehne und Schubstange ... und meine Gedanken gingen zurück in die Zeit als ich meine Tochter fast jeden Nachmittag auf den Spielplatz geschoben habe ... sommerblauer Himmel wie heute ... war damals meine Welt noch in Ordnung? ... ich sehe ihren Vater an Sommerabenden mit dem Cabrio am Spielplatz vorbeifahren, winkend ... das Kind wollte nach Hause, zum Papa, er kam uns oft den Weg entgegen und schob seine Tochter das letzte Stück selbst ... begrüßte er mich? ... begrüßte er die Tochter? ... wann haben die Küsse aufgehört? ... wann hat das alles angefangen was jetzt so geendet hat?

das letzte Jahr brachte viele neue Eindrücke und Erfahrungen die zu neuen Erinnerungen geworden sind ... aber dennoch ...

das neue Leben ist noch lange nicht so selbstverständlich wie es das alte gewesen war ...

lilac

12.08.2003 09:39 • #3


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Lieber Gerd, Liebe lilac,

Ich habe mir wohl wieder selbst zu leid getan und gedacht, meine Probleme seien einzigartig und ich allein damit auf der Welt.
Gerd, dass die Kinder vom neuen Freund erzählen ist bei mir nicht anders, nur tun sie sich mit der ganzen Sache noch erheblich schwer, nicht zuletzt auch weil meine Frau ihnen offenbar verbietet, mir bestimmte Dinge zu erzählen. Ich versuche aber den Kindern diesen Druck wegzunehmen so gut es nur geht. Deine Antwort hat mir Mut gemacht; dennoch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, irgendwann mal froh zu sein, dass ich meine Frau los bin.

lilac, Du scheinst dich ja mit der Aufarbeitung deiner Vergangenheit schwerer zu tun als das zB bei Gerd der Fall ist. Dein neues Leben wirft dir noch viele Fragen auf. Bei mir ist es so, dass ich nicht nur mit dem Verlust meiner alten Gewohnheiten zu kämpfen habe und mir daher die Sicherheit fehlt, sondern meine Frau noch immer sehr liebe und deshalb vor allem um sie trauere. Aber ich glaube fest daran, dass die Zeit mir hilft, mich auch alleine wieder zurecht zu finden.

LG von taka

12.08.2003 13:16 • #4