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Abschiedsbrief 5 Monate nach Borderline-Beziehung

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Da immer noch Menschen diesen Brief lesen und in sehr ähnlichen Situationen stecken, dachte ich mir, dass ich mal ein Status Update diesbezüglich poste - jetzt knapp 1.5 Jahre nachdem ich diesen schrieb und knapp 2 Jahre nach dieser Trennung.

Wie erwähnt, wollte ich mir selber ausreichend Bedenkzeit geben, bevor ich diesen absende. Schlussendlich, mit zunehmender Verarbeitung der Trennung wurde auch der Drang danach immer weniger und schlussendlich entschloss ich mich dagegen, ihr diesen zu senden. Dennoch war es für mich äußerst wertvoll, das alles einmal in Worte gefasst zu haben. Zudem war es auch später immer wieder intressant zu sehen, wie viel sich seitdem bei mir verändert hat.

An alle, die vielleicht gerade eine Borderline Trennung erleben oder vor kurzem erlebt haben: Ich kenne den Schmerz und die Zustände, die damit verbunden sind. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das jemals vorbei geht und ich diese Frau jemals loslassen könnte. Doch genau das passierte. Mit genügend Abstand kann ich mittlerweile reflektiert und objektiv auf die Beziehung mit ihr zurückblicken. Und so unglaublich schön und überwältigend, wie ich das alles damals empfand war es ganz einfach bei weitem nicht.

Das Kennenlernen mit ihr lief rasant, bereits bei den ersten Treffen entstand eine als unglaubliche, subjektiv erlebte Nähe und Intensität. Aber nein, mittlerweile ist mir klar, dass das alles eine Illusion war - im Gegenteil, dass ich so gut wie nichts über sie wusste und mich in ihre Fassade verliebte. Und diese Fassade habe ich selber stark idealisiert.

Mittlerweile empfinde ich, als ob ich mich vor dieser Trennung selber nicht richtig gekannt habe. Sie versetzt mir einen Schlag, der mich komplett zu Boden brachte. Und aus dieser Position - der Konfrontation mit bisher unbekannten Anteilen, Mustern, Ängsten, Emotionen - konnte ich mich von Grunde auf wieder aufrichten und hochkämpfen, auch diese dabei endlich angehen. Im Laufe der weiterhin erfolgten Therapie, drang dabei immer mehr und mehr in mein Bewusstsein. Es war einerseits befreiend, andererseits nahm dieser Prozess einen riesigen Teil meines Lebens ein, ich leckte Blut und wollte immer mehr und mehr erreichen. Ich bemerkte große positive Veränderungen in so gut wie allen Aspekten meines Lebens, doch es war mir nicht genug. Ich sah immer noch weiteres Potential in mir, wusste selber nicht wohin ich noch kommen will und wirklich zufrieden, war ich in dieser Zeit dann trotzdem nicht.

Ich schätze im Nachhinein, das führte mich zu einer Ehrenrunde mit einer anderen Borderlinerin. Bei ihr wusste ich von Anfang an von ihrer Erkrankung. Mir war damals klar, auf eine Beziehung mit ihr würde ich niemals einlassen. Dennoch ließ ich mich zuerst im Rahmen einer platonischen Freundschaft auf sie ein, schätzte die riesige Intensität und Nähe, die sich bei den Gesprächen mit ihr ergaben - es gab mir den Kick nach dem ich auf der Suche war. Bei Interesse ist diese Geschichte in einem anderen Beitrag von mir nachzulesen, indem ich dann von anderen Usern hier zu essentiellen Erkenntnissen geführt würde. Sehr essentiell diesbezüglich für mich:

- Eigenes Helfersyndrom - schlüpfen in die Retterrolle: Die Beziehung wurde dadurch von mir selbst in Schieflage gebracht, um selber Sicherheit zu erlangen. Sie ist nicht mehr auf Augenhöhe, ich werte sie damit als mir nicht ebenbürtig (weil krank und schlimme Vergangenheit) ab - wer mir nicht ebenbürtig ist, ist auch keine Bedrohung.
- Wenn in einer Beziehung zu starke Intensität besteht, ist das ein Warnsignal. Kein Mensch hält solche Nähe auf Dauer aus. Folglich ist Konstanz nicht mehr gegeben.

Schlussendlich hatte ich mit dieser Frau noch ein paar mal S. und sie ghostete mich. Aufgrund dessen, dass es für mich absehbar war und hier deutlich mehr Grenzen bewahrt wurden, empfand ich es aber als wenig belastend. Ebenso wurden bereits Verlustängste, Selbstwert, Grenzen etc. in meiner Therapie zuvor bereits intensiv behandelt. Und wie gesagt: Ich lernte mich selber in der Zwischenzeit viel genauer kennen, was zur Folge hatte, dass ich mich in ihr nicht verlor - während es sich bei der Beziehung mit der Ex, an die dieser Brief gerichtet war nachträglich nach einer Verschmelzung anfühlte.

Im Gegenteil, nachdem das mit ihr beendet war ging es mir besser als je zuvor. In der Situation selber genoss ich die Treffen mit ihr. Wieviel Raum sie aber bei mir vereinnahmte und wieviel Energie das aus mir zog, bemerkte ich erst im nachhinein. Diese stand mir dann für andere Dinge zur Verfügung und ich kam langsam erst wirklich bei mir selber an. Ich genoss das Leben alleine und die wichtige Erkenntnis daraus: Es muss nicht alles im Außen passieren, es braucht auch keine Borderlinerin oder sonstige Partnerin dazu. Allein ich selber habe mich und meine Emotionen in der Hand.

Mittlerweile habe ich Frieden mit mir gefunden. Meine Therapie läuft immer noch, aber sie ist nicht mehr DER Fokus in meinem Leben. Ich lasse sie mittlerweile langsam auslaufen, bin mit dem jetzigen Stand glücklich und zufrieden. Mittlerweile kenne ich meine eigenen Themen sehr gut und sie beeinflussen mein Handeln nur mehr wenig. In den wenigen Fällen, in denen mich diese noch etwas stärker beeinflussen, kann ich das auch mal so annehmen, dazu stehen und die Konsequenzen annehmen. Den Anspruch an mich perfekt zu sein habe ich nicht mehr. Diesbezüglich fühle ich mich freier denn je.

Ebenso, bin ich mittlerweile wieder in einer glücklichen Beziehung. Ohne Borderline Tendenzen. Ich schätze, dieses Kapitel in meinem Leben ist abgeschlossen. Und schlussendlich lässt sich nur sagen: Alles war für etwas gut.

08.10.2019 09:46 • x 5 #31





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