Nun ist der Zeitpunkt da, an dem mir Vieles bewusst geworden ist und ich muss es jetzt festhalten. Der süße Hund meiner Tochter liegt auf meinem Schoß und mag es gar nicht, wenn ich auf dem Handy rumtippe. Hin und wieder streichelte ich ihn, wenn ich damit aufhöre, guckt er mich an, um mich zum Weitermachen aufzufordern...
Vor 6 Jahren, im August 2009, lernte ich einen Mann kennen. Zuvor war ich glücklicher Single, war aber bereit für eine neue Beziehung. Er war eigentlich nicht unbedingt mein Typ, bin aber ein aufgeschlossener Mensch und war bereit, ihn näher kennenzulernen. Vieles, was er sagte, gefiel mir. Er schien, wie ich, ein emotional feinfühliger Mensch zu sein, sodass ich mich bald in diesen Menschen verliebte und er sich scheinbar auch in mich. Ich schwebte auf Wolke 7, alles war rosarot, so hatte ich die Welt noch nie zuvor gesehen. Es schien als ob alles passt. Wir haben viel zusammen unternommen und er sprach schon bald von gemeinsamer Zukunft, dass er es will und es sich mit mir vorstellen kann. Ich sollte mir auch schon mal Gedanken über unser erstes gemeinsames Urlaubsziel machen. Einen Urlaub macht er aber noch allein. Den hat er schon gebucht, bevor wir uns kennenlernten. Das war natürlich okay für mich.
Dazu muss ich sagen, wir haben uns über eine Singlebörse kennengelernt. Es war meine erste Erfahrung, auf diesem Weg jemanden kennenzulernen. Er hatte mich angeschrieben und wollte keine Zeit verschwenden und mich schnell treffen. War eigentlich nicht so meine Vorstellung - es ging mir zu schnell, wollte lieber vorher noch ein bisschen mit ihm schreiben, um mir ein Bild von ihm machen zu können - hab dann aber einem zeitnahen Treffen zugestimmt.
Zwei Wochen vor Antritt seines Urlaubes wollte er dann keinen Kontakt mehr mit der Begründung, er hätte noch viele Wege zu erledigen. Das hab ich akzeptiert. Hab ihm für seine Reise noch einen Glücksbringer in seinen Briefkasten gesteckt, wofür er sich bei mir per SMS ganz lieb und herzlich bedankte. Dann flog er nach Mexiko. Er schickte zwei SMS und berichtete darin über Land, Leute und Unternehmungen, worüber ich mich immer sehr freute. Zum Ende seines Urlaubs kam die dritte SMS. Darin teilte er mir mit, dass er eine Frau kennengelernt, er großes Interesse an ihr hat und kann nicht anders, er müsse herausfinden, wie es zwischen ihm und ihr weitergeht. Ich war geschockt, antwortete etwas später, dass ich traurig darüber bin, hab doch für uns schon ein so schönes Reiseziel gefunden. Dann kam von ihm nicht's mehr. Ich war so enttäuscht, konnte es einfach nicht glauben, dass man sich so schnell umentscheiden kann...
Es war, glaube mich zu erinnern, am 2. oder 3. Tag nach Rückkehr aus seinem Urlaub da kam von ihm eine e-Mail. Es waren Fotos von den Pyramiden, davor saß der Glücksbringer. Er schrieb mir dazu, dass es sich bei der Bekanntschaft nur um einen belanglosen Flirt gehandelt hat. Er wird sie nicht wiedersehen. Mich hingegen will er sehr gern wiedersehen. Ich war von dieser Nachricht hin- und hergerissen. Sowas hab ich noch nie in meinem Leben zuvor erlebt.
Wir hatten dann wieder Kontakt. Ich war vorsichtig, er zuckersüß. Er himmelte mich an, ich bin DIE Frau. Viel zu lange hat er sich mit den falschen Frauen rumgetrieben, so seine Worte.
Nun lag eine Störung im System vor. Hab ihn oft drauf angesprochen, was der wahre Auslöser seines Handelns war. Er sagte, dass es genau so war und es ihm leid tut, wir hätten schon viel weiter sein können. Heute vermute ich etwas ganz anderes. Dazu aber später.
Wir verbrachten zwei wunderschöne Jahre und traumhafte Urlaube. Er war mein Märchenprinz, so aufmerksam, liebevoll, sagte mir die schönsten Sachen, wir haben viel geredet, manchmal bis früh morgens, wir sahen von seinem Balkon aus die Sonne aufgehen. Er wollte mit mir zusammenziehen und sagte, er ist bereit seine Wohnung aufzugeben, wenn ich eine passende finde. Ich hatte dann eine Wohnung im Visier, wir hatten uns dann aber beide gegen diese entschieden..
Meine Tochter hat in der Zeit ihr Studium begonnen. Sie wollte vorort nahe Uni wohnen, um nicht täglich fahren zu müssen. Ich stimmte, trotz bevorstehender Mehrkosten, zu in der Hoffnung, dass mein Partner dann auch mal öfter zu mir kommt, damit er sich frei bewegen kann und sich wohlfühlt bei mir. Meine Tochter fand eine Wohnung, wollte sie gemeinsam mit einer Kommilitonin in WG nutzen. War daraufhin oft mit meiner Tochter unterwegs, passende Möbel zu finden. Mein Partner beteiligte sich zurückhaltend. Half mir aber beim Aufbau des Schrankes, worüber ich sehr dankbar war und es ihm auch zeigte.
Dann erkrankte meine Mama. Sie hatte einen Schlaganfall, wobei sie als Folgeschaden auf einem Auge nur noch wenig sehen könnte. Sie kam ins Krankenhaus, wurde mit blutverdünnenden Medikamenten und Kortison behandelt. Als Folge lösten diese Medikamente kognitive Störungen aus. Das war im November 2011. Vor Weihnachten wurde sie entlassen aus dem Krankenhaus. Das Sehen wurde besser, aber neben der kognitiven Störung trat eine Manie auf. Es war so schlimm. Mein Vater ist nicht mit der Situation klargekommen. Hat mich sehr oft, auch spät abends, angerufen, ich müsse hinkommen. Ich war nur noch im Bereitschaftsmodus. Es war eine schwere Zeit, hab mich aber nie beschwert. Wollte ja auch immer da sein für meine Mutti. Ja, dann noch ganztägig arbeiten und einen Partner, der in seiner Wohnung wartete, dass ich zu ihm komme, äußerte aber großes Verständnis für die Lage. Ich wohnte nun allein, dennoch kam er sehr selten zu mir, wochentags war er nie bei mir. Er gab mir den Schlüssel zu seiner Wohnung, kurioser Weise hatte ich zwar den Schlüssel, sollte aber nur nach vorheriger Absprache zu ihm kommen. Es hat nicht immer geklappt, dass ich dann zu ihm kommen konnte, wenn es bei ihm gepasst hat. Ich hatte vorgeschlagen, dass ich doch spontan zu ihm kommen könnte. Aber das lehnte er mit aller Konsequenz ab. Er kann ja nicht jeden Tag warten, ob ich komme. Verstand ich nicht, hab doch nen Schlüssel. Ja, er hatte so seine Eigenarten, manchmal sehr kompliziert. Bin aber ein Mensch, der respektiert und akzeptiert.
Meiner Mutti wurde geraten, sich am Herzen operieren zu lassen. Sie braucht eine neue Herzklappe. Sie hatte über alles mit den Ärzten Besprochene Buch geführt. Darin steht: Sie brauchen eine neue Herzklappe, welche möchten sie, vom Schwein oder Rind? Es ist mir egal, Hauptsache klappt. Sie hatte auch da noch so viel Humor. Den hab ich, glaube ich, von ihr. Sie wurde operiert. Nach ein paar Wochen wurde sie entlassen. Es ging ihr noch nicht so gut. Einige Wochen später trat sie eine Reha an. Sie sagte, allen hier geht es besser als ihr. Sie war sehr schwach. Nach der Reha kam sie ins Krankenhaus. Diagnose: Depression. Meine Mutti sagte, die nehmen mich hier alle nicht ernst, nur weil ich nicht so alt aussehe, wie ich schon bin. Ihr Zustand wurde natürlich mit der Diagnose nicht verbessert werden. Dann wurde sie umverlegt in die Kardiologie. Die waren überfordert. Meine Multi wollte in eine Fachklinik. Nach langem Hin und Her kam sie in ein anderes Krankenhaus. Zusehends ging's ihr schlechter, sie hatte Blutarmut. Ständig bekam sie Bluttransfusionen. Ich war regelmäßig im Krankenhaus, sie könnte selbst nicht mehr essen. War abends oft da, um ihr dabei zu helfen und sie etwas aufzumuntern und ihr die Sorge um uns zu nehmen. Mein Vater saß nur an ihrem Bett und schluchzte. Ich bat ihn, er soll das nicht vor ihr machen.
Wenn ich bei meinem Partner war, wollte ich nicht unsere Beziehung damit belasten. Er wollte stets Harmonie, alles sollte im Einklang sein. Er wusste aber, wie es um meine Mutti stand, hat es aber nicht ernst genommen. Er beklagte, dass ich weniger Zeit hab als am Anfang.. Meine Gedanken waren nur, er ist gesund und meine Mutti braucht mich. Als ich am Donnerstag bei ihr war, sorgte ich noch dafür, dass sie eine Suppe bekommt, weil sie keine Kraft mehr hatte, Schnitten zu essen. Ich fütterte sie. Sie sagte zu mir: Ich kann verstehen, dass er dich liebt, du hast so ein gutes Herz. Das tut mir jetzt so weh. Und Nun werde ich nie erfahren, was aus S. (meine Tochter) wird. Dann ging ich und winkte ihr. Sie rief noch Schwester, Töpfchen. Dann verließ ich das Zimmer. Am nächsten Morgen, am Tag vor der Sommersonnenwende im Juni 2012 klingelte das Telefon. Mutti ist tot... Für mich unfassbar, unvorstellbar.. Fuhr dann gleich ins Krankenhaus.......
An diesem Tag wollten eigentlich mein Partner und ich zu einem Treffen mit Freunden übers Wochenende. Ich teilte ihm den großen Verlust mit. Am Abend kam er vorbei, drückte mich und sagte, er hat seinen Freunden gesagt, dass er alleine kommt. Dann fuhr er wieder. Ich finde dafür noch immer keine Worte.
Drei Tage genoss er und meldete sich dann erst wieder. Er war mir egal. Meine Gefühle lagen auf Eis. Ich funktionierte nur noch. Hab alles für eine mehr als würdevolle Beisetzung getan. Meine Mutti sagte oft, wenn sie mal stirbt, wird sie sang- und klanglos untergehen und sie will auf die Grüne Wiese, wir sollen keine Arbeit haben. Diesen Wunsch hab ich ihr nicht erfüllt. Aber ich hab dafür gesorgt, dass vor der Trauerrede die Glocken läuten. Ich weiß, dass sie sich darüber gefreut hätte, nicht sang- und klanglos unterzugehen. Viele sagten zu mir, dass Beisetzung und Trauerfeier so schön waren. Ich fand es auch und das gab mir inneren Frieden...
Er war nicht dabei.
Im September wollten mein Partner und ich eine dreiwöchige Urlaubsreise machen. Er fragte mich, ob ich noch mitkomme. Ich war enttäuscht und hab aber gedacht, es ist ja eh schon alles bezahlt und dass es mir guttun würde. Für die schönen Seiten des Lebens war er ja zu haben. Und der Urlaub war wirklich schön, obwohl ich oft heimlich für mich weinen musste.
Hundi ist abgehauen, ihm war's zu langweilig und ich beende dies erstmal an der Stelle. Morgen werde ich es fortsetzen..
Abschied vom wichtigsten Menschen u bisheriges Leben
25.08.2015 22:39 •
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