Zitat von sonntag_morgen: Wie und wann hast du dich denn aus deiner geschilderten Beziehung gelöst?
Ich habe mich nicht gelöst, sondern mich entschieden, weiter zu leiden. Denn ich schaffte es nicht, einen Cut zu machen. Er war zu wichtig für mich, dafür nahm ich dann alles Mögliche in Kauf. Und ich redete mir fleißig ein, dass es sich ja noch bessern könnte und ich irgendwann the one and only sein würde, wenn ich nur genug gelitten hätte.
Völlig falsches Bild von Liebe und Vertrauen, das ich lebte.
Da ich ständig das Gefühl der Unterlegenheit hatte, war ich total unglücklich und ging darüber hinweg. Eines Tages wird er ... und eines Tages werden wir, wenn er erst meinen Wert erkannt hätte.
Ich war eine Meisterin im Selbstbetrug.
Selbstverständlich wurde nichts besser, sondern es wurde im Lauf der Wochen und Monate eher schlimmer, bis ich kein Vertrauen mehr zu ihm hatte und Angst um ihn hatte. Er könnte sich einer Anderen zuwenden, die interessanter ist und dann bin ich vergessen und verraten. Es war eine emotionale Hölle, aber auch das hatte ich bereits als Kind gelernt. Bleib dran, gib nicht auf und eines Tages wirst Du belohnt. Du musst Dir nur tüchtig Mühe geben, über vieles hinwegsehen, dann ...
Hätte mir Jemand gesagt, dass ich mich in einer emotionalen Abhängigkeit befand, hätte ich betreten geschwiegen, weil es die Wahrheit gewesen wäre. Ich war handlungsunfähig. Er aber nicht und so trennte er sich eines Tages dann doch überraschend und per Mail, zu einem Zeitpunkt, als wir gerade wieder eine Phase hinter uns gebracht hatten und ich mir einbildete, wir seien nun auf einem guten Weg.
Klar ging es mir miserabel, denn ich hatte wieder mal die volle Klatsche erlebt. Wieder war ich gescheitert, nicht wichtig und liebenswert genug gewesen. Es lag an mir. Ja, klar doch, wer sich freiwillig zu Füßen des Podests legt, auf dem er thront, ist selbst Schuld. Keiner hatte mir angeschafft, das so lange oder gar noch länger zu ertragen und immer wieder Zurücksetzung zu erfahren.
Es war erbärmlich diese Beziehung zu betrachten und ich fühlte mich auch erbärmlich. Ich war so verletzt, so enttäuscht und glaubte, es würde mich innerlich zerreißen, ihn nicht mehr zu sehen.
Ich kam auf einen weiteren grandiosen Trick, mit dem ich ihn noch ein wenig in meinem Leben behalten konnte. Ich bot ihm Freundschaft an. Wie blöd muss man sein, denn dass das nicht funktioiert, weiß jeder, der es versucht hat. Also waren wir halt dann Freunde. Ich hatte noch einen losen Anteil an seinem Leben, aber die wichtigen Dinge erfuhr ich nicht und versuchte weiter ihn für mich zu interessieren. Im Grund genommen wollte ich noch eine Art Kontrolle über ihn haben.
Der Schuss ging nach hinten los, denn ich quälte mich weiter, tat, als sei alles so weit in Ordnung und fragte mich, mit wem er wohl auf die seltsame Veranstaltung letztes WE gegangen war, von der er mir erzählt hatte. Die wichtigen Dinge, die ich wissen wollte, erfuhr ich nicht.
Irgendwann kapierte ich aus einer seiner üblichen verschwurbelten Nachrichten, dass es eine Next gab. Vermutlich war sie auch der Grund, warum ich gehen musste, denn er hatte schon früher mal von ihr erzählt. Mein Blutdruck erreichte ungeahnte Höhen und mir wurde bewusst, dass ich wieder gegen mich gehandelt hatte und den Weg des Leidens gewählt hatte. Besser so als gar nicht, war die Devise.
Auf die Trauerphase folgte die Wutphase und ich ging dann auf Empfehlung zu einem Psychologen. Zu einem Beratungsgespräch. Was wollte ich dort? Ich war es ja gewöhnt, dass ich immer alles allein bewätligen musste und schaffte es auch. Ich ging dennoch hin, ein Versuch, nicht mehr und nicht weniger.
Bei dem Therapeuten geschahen bemerkenswerte Dinge:
1. Ich sagte nicht, ich komme wegen Liebeskummer, der mich auffristt und total wütend macht, ich sagte drei Worte, die mein Problem umrissen. Ich war erstaunt und verwundert, dass ich diese Worte gesagt hatte, aber es war einfach aus mir raus gekommen. Es war die Wahrheit, was mit mir los war.
2. Der Therapeut war so neutral wie eine weiße Wand. Es gab keine Bestättigung, erst recht kein Mitleid, es gab gar nichts. Und diese Neutralität tat mir unendlich gut. Ich konnte darüber reden, aber es wurde nichts bewertet. Es war wie es war.
3. Der Therapeut wollte Dinge von mir wissen, viele Dinge. Und das tat mir dann auch gut, dass ich mal gefragt wurde. Wo kommen sie her, wie sind/waren ihre Eltern, was haben diese erlebt? Und was haben Sie erlebt? Ich rieb mir erstaunt die Augen und fragte mich, was meine Eltern mit meiner Misere zu tun hatten. Mehr als ich glaubte, denn bereits hier liegt die Wurzel dessen, was man später erlebt. Beziehungen sind immer Spiegelbilder unserer selbst und unserer Probleme.
Und der Ex.? Wurde praktisch nicht weiter besprochen, warum auch? Er war ja nur ein Symptom, nicht mehr und nicht weniger, aber von daher nicht wichtig. Es hätte statt Walter auch Heinrich sein können, denn jeder Mann zeigte mir nur, wo ich stand. Irgendwie in der letzten Reihe, in der ich mich abstrampelte und nie aufgab. Irgendwann müssen die mich doch lieben, merken, dass ich alles tat, was sie erwarteten, aber der Erfolg war mäßig, schon damals, als ich vier oder fünf Jahre alt war.
Trotz eines stabilen und scheinbar guten Elternhauses hatte ich doch einiges abbekommen. ich war nicht gut genug, egal wieviel Mühe ich mir auch gab. Ich müsste irgendwie anders sein, bloß wie, aber dann würden sie mich mehr zur Kenntnis nehmen und mich verstehen. Mein Vertrauter war mein Stoffpinguin, dem ich alle Kümmernisse anvertraute, wei ich wieder mal erfahren hatte, dass ich nicht gut genug war.
Dieser Glaubenssatz verfolgte mich unbewusst über Jahrzehnte. Alle anderen sind besser, selbstbewusster, klüger als ich, aber ich konnte halt nicht richtig heranreichen.
Nach zwei Terminen war eine Fortsetzung nicht notwenidg, denn es war alles klar. Nicht dass danach alles bewältigt gewesen wäre, nein, ich quälte mich noch weitere Wochen und Monate rum. Aber doch hatte ich einiges begriffen, ich lebte Erlebtes nach, ganz einfach.
Ich machte mir viele Gedanken damals, rekapitulierte Kindheitserlebnisse, die sich eingebrannt hatten und dann fand ich zufällig noch uralte Briefe meiner Mutter an meinen Vater aus der Zeit vor der Heirat. Ich las einige und war peinlichst berührt. Diese Schrottbriefe hätten von mir sein können. Wie sie um ihn warb, wie sie sich bemühte, ihn davon zu überzeugen, dass sie eine treue Seele war. Oh mein Gott, ich brach halb zusammen.
Alles, was der Therapeut gesagt hatte, stimmte. Wir leben das nach,was wir kennen, denn was Anderes kennen wir ja gar nicht.
Puh, das war hart damals und beschämend.
Ich wollte ja immer so autark sein, aber was war ich denn? Schwach, inkonsequent und mir selbst nicht treu. Ich untergrub meinen Wert und warf mich einem Typen an den Hals, der micht vom Gegenteil dessen überzeugen sollte, was ich selbst von mir glaubte.
Sei lieb zu mir, dass ich endlich glauben kann, dass auch ich liebenswert und wichtig bin.
Schätze mich und achte mich, damit ich endlich an mich und meinen Wert glauben kann.
Richte Du mein ödes und fades Leben und mache es bunt, damit ich endlich glauben kann, dass es lebenswert ist.
Tja, das wurde mir dann erst zu einer Zeit bewusst, als ich längst mi ihm abgeschlossen hatte. Ich war emotional von ihm entfernt und es kam aus heiterem Himmel zu einer Art Deja-vu. Ich hatte ihn benutzt, unbewusst, denn er sollte das in mir richten, was ich selbst nicht richten konnte.
Das war irgendwie die Wende. Ich begann mich zu loben,ich lernte, dass ich mich gut finden durfte trotz aller Fehler und Defizite und ich lernte, dass ich nicht besser und schlechter als Andere war. Ich war ich und das ist in Ordnung so.
Das kann man lernen, aber man muss dranbleiben. Immer wieder sich selbst aufrichten, den Glauben an den eigenen Wert holen und zu erkennen, dass der Ex. tatsächlich nur ein Symptom meiner Baustellen war.
Heute bin ich anders. Nein, nicht die Strahlende, der alles gelingt. Aber ich stehe anders da, anders zu mir selbst und ich weiß, dass ich selbst dafür verantwortlich bin, mir meinen Wert zu geben. Ein Partner wird das nicht tun, denn er kann oben reinschütten und es rinnt unten raus, wenn man nicht selbst etwas dazu tut.
Gehe in Beziehung zu Dir, erinnere Dich, lebe es nochmals nach und Du darfst weinen und trauern über Dich. Aber die Tränen die Du um Dich weinst, sind gut angelegt. Die um den Partner nicht.
Es liegt alles in Dir. Du darfst die alten Verletzungen ablegen. Sie wurden Dir zugefügt, sie lassen sich nicht ungeschehen machen, aber sie müssen nicht den Rest Deines Lebens Macht über Dich haben.
Und dann brauchst Du auch solche Männer nicht mehr, die nur ein Symptom Deiner Hilflosigkeit sind.