Hallo Mel,
also vorab ich verstehe deine Trauer und deine Verunsicherung bzgl deines Mannes. Ich möchte dir aber noch ein paar Dinge zu bedenken geben.
Weißt du ich bin das, was man eine notorische Fremdgängerin nennt. Bei mir ziehen sich Affärengeschichten wie ein roter Faden durch mein Leben. Und ich war nicht nur nicht treu in meinen Beziehungen, sondern geriet auch an Männer, die es mit der Treue mir gegenüber nicht ganz so ernst nahmen. Darum habe ich mich fürs erste entschieden, alleine zu bleiben. Aber das nur, damit du weißt, wer dir hier schreibt.
Aufgrund meiner eigenen Geschichte habe ich mich sehr mit dem Thema auseinander gesetzt und mich gefragt, warum eigentlich gehen Menschen fremd? Was ist die Psychologie dahinter? Und ich habe einige sehr interessante Dinge herausgefunden. Betrachtet man das ganze nämlich mal ganz nüchtern, geht es eigentlich immer um eine Sache, den Versuch, einen Mangel auszugleichen. Dieser Mangel kann in einer Partnerschaft entstehen oder er liegt- wie wahrscheinlich bei mir- in der eigenen Persönlichkeit begründet.
Bei deinem Mann war dieser Mangel wahrscheinlich durch die besondere Lebenssituation entstanden. Seine Mutter lag im Altenheim und ist dort verstorben. Das mit anzusehen ist schon für gesunde, gefestigte Menschen echt nicht ganz leicht. Für deinen Mann, der ohnehin schon Probleme mit sich selbst hat (Suchtproblem!), war es wahrscheinlich unerträglich. Ich vermute mal er hatte eine sehr enge aber auch sehr gestörte emotionale Bindung zu seiner Mutter. Da dann hilflos zu sehen, wie sie immer schwächer wird, immer bedürftiger und schließlich sterbend im Bett lag, das ist schon eine Hausnummer.
Tja und dann war da diese nette Pflegekraft, die ihn ein Stück weit aufgefangen hat. Zunächst wahrscheinlich einfach nur, weil es ihr Job war. Pflegekräfte sind ja den Umgang mit Krankheit und Tod gewöhnt und sie sind professionell geschult. Sie konnte deinem Mann wahrscheinlich Tipps geben, wie er besser mit der Situation umgehen kann. Und sie war die Frau, die seine Mutter gepflegt hat. Alleine dadurch fühlte er sich ihr wahrscheinlich schon verbunden. Das heißt sie füllte in dieser für deinen Mann besonders schwierigen Situation eine Lücke, die du nicht füllen konntest. Sie fing ihn auf, wo du selbst vielleicht hilflos warst. Sie war ihm in dieser schweren Zeit eine Stütze wo er ansonsten sich alleine gelassen und schwach fühlte.
Ich will das Verhalten deines Mannes hier nicht entschuldigen, ich will es dir nur erklären. Und ich will dich darauf hinweisen, dass dein Mann in einer sehr besonderen, sehr schwierigen und außergewöhnlichen Lebensphase steckte. Ich bin kein Psychologe aber ich denke der vorübergehende Ausbruch aus eurer Ehe ist hier zumindest nachvollziehbar. Zumal Affären häufig nach belastenden Lebenssituationen durch Krankheit und Tod auftreten. Sie sind nämlich gerade das Gegenteil von Tod. In einer frischen Affäre fühlen sich die Beteiligten so lebendig und energiegeladen wie nur selten im Leben. Die Hormone spielen verrückt und setzen ungeahnte Kräfte frei. Diese Kräfte brauchen sich natürlich schnell auf, weil die Geheimniskrämerei einer Affäre enorm viel Kraft zieht. Aber zunächst mal fühlt man sich beflügelt und lebendig. Ich nehme an, dein Mann sprühte in dieser Zeit vor Lebensfreude. Vielleicht kleidete er sich anders oder machte plötzlich Sport. Vielleicht roch er nach neuem Eau de Toilette?
Irgendwelche Veränderungen wirst du sicher bemerkt haben. Tja, und dann brach das Kartenhaus zusammen und er begriff, dass er dabei war, die Frau zu verlieren, die er über alles liebt: Dich! Und dann zog er die Konsequenzen und beendete die Affäre und zeigt sich dir seitdem loyal und treu. Er weiß genau, was er angestellt hat und er versucht, dein Vertrauen wieder aufzubauen, indem er dich mitnimmt zu seinen Terminen oder dich genau informiert mit wem er was warum gerade macht. Und dabei wirkt er in deiner Schilderung sehr entschlossen und geradlinig. Da ist keine Spur von Hadern oder Trauer um die verlorene Affärenfrau. Und das ist sehr untypisch.
Normalerweise folgt auf eine beendete Affäre eine lange Zeit der Ambivalenz und sehr sehr schlimmer Liebeskummer. Ich habe nach einer beendeten oder aufgeflogenen Affäre oft Monate manchmal sogar Jahre getrauert und habe immer wieder versucht, Nähe zwischen mir und dem Ex-Affärenmann herzustellen. Und oft genug wurde ich dabei rückfällig.
Sowas lese ich aus deinen Schilderungen über deinen Mann überhaupt nicht heraus. Im Gegenteil. Er gibt wirklich alles zu 1000% einzig und allein um dich wieder ganz zurück zu gewinnen. Und du genießt seine Nähe und bist dir ebenfalls sehr sicher, dass er trotz allem der Mann ist, mit dem du dein Leben verbringen willst.
Also ich glaube ehrlich, dass eure Prognosen dafür sehr sehr gut sind. Ich glaube nicht, dass dein Mann ein notorischer Fremdgänger ist. Ich glaube viel mehr, dass er diesen, durch die besondere Situation entstandenen Fehltritt bitter bereut. Sowas passiert ihm ganz sicher nie wieder. Der Spruch, wer einmal lügt dem glaubt man nicht, gilt deshalb hier absolut überhaupt gar nicht. Der gilt viel eher für Menschen, wie mich, die eben eine schweren Mangel in ihrer Persönlichkeit haben, den sie irgendwie auszugleichen versuchen. Dein Mann aber hat alles was er braucht und will: Dich!
Darum plädiere ich in deinem Fall dafür, deinem Mann vollumfänglich zu vergeben und ihm zu vertrauen. Ich verstehe deine Zweifel total. Aber sollte es hier erneut zu einer Affäre kommen, fresse ich einen Besen quer.
In diesem Sinne: Alles gute für Euch beide! Ich beneide dich....!