Liebe EinfachIch.
Ich bin sehr beeindruckt und voller Hochachtung vor dem, was du über dich schreibst. Aber auch deinem Mann möchte ich gern attestieren, dass er, sobald er genug Leidensdruck spürt, in der Lage ist, das Notwendige zu tun, auch wenn es scheinbar außerhalb seiner Möglichkeiten liegt. Das macht auch ihn zu einem besonderen Menschen. Denn wer sich seinen Schwächen stellt und etwas dagegen tut, ist besonders. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn er sich noch mehr seiner Sucht bewusst würde und sich davon befreien könnte. Dabei geht es vor allem um den Kontrollverlust, den er anscheinend jedes Mal hat und der ja auch im Unbewussten ein Grund für das Trinken ist. Denn wenn er betrunken ist, darf er außer Kontrolle sein, so signalisiert ihm das Unbewusste. Dem muss er ins Auge schauen, und möglicherweise macht er das ja auch bereits, wie deine Anmerkungen vermuten lassen.
Zu dem Titel deines Fadens:
Zitat:25 mehr oder weniger verkorkste Jahre
würde ich dir wünschen, dass du lernen könntest das anders zu sehen. Es waren sehr schwierige Jahre, ihr wart mehrfach an der äußersten Bewältigungsgrenze. Aber so, wie es sich mir darstellt, kann das dazu beitragen, das, was ich BEWÄLTIGUNGSGEWISSHEIT nenne, erheblich zu stärken. Man kann also das, was ihr durchlebt hat, negativ beurteilen, dann sieht es so aus, als wäre es besser gewesen, diese Jahre nicht zu durchleben. Man kann sie aber auch positiv beurteilen, weil ihr all das bewältigt habt. Ihr seid zwar zwischenzeitlich beide ausgebrochen in eure Affären, aber ihr habt beide äußerst konsequent eine harte Entscheidung jeweils FÜR EUCH getroffen. Und das stärkt sowohl die Beziehung als auch euch als Individuen.
Zitat:
Unsere Beziehung war von Anfang an schwierig. Als Hauptursache für alles was bisher bei uns schief gelaufen ist, kann ich eigentlich den Alk. nennen. Dieses Thema begleitet mich mein Leben lang. Mein Vater ist als Alk. gestorben, mein Schwiegervater, mein Onkel. Alk. hat mich mein komplettes Leben begleitet.
Das legt die Vermutung nahe, dass du das, was du bei deinem Vater an Negativen erlebt hattest, bei deinem Mann heilen wolltest. Der Umgang mit einem Alk. schien dir vertraut und die Fehler, die deine Mutter dabei möglicherweise gemacht hatte, wolltest du nicht mehr machen und ich sozusagen gesund lieben. Das ist unmöglich, aber gerade mit der neusten Entwicklung hast du das Optimale erreicht, was man unter diesen Vorzeichen überhaupt erreichen kann. Daran scheint aber der Hausarzt deines Mannes großen Anteil zu haben.
Ich würde euch wünschen, dass ihr diese ungewöhnliche Lebensform aus voller Überzeugung leben und auch nach außen vertreten könntet. Distanz kann unglaublich heilsam sein, wenn auf der anderen Seite soviel Nähe erzeugt werden kann, dass die Liebe nicht verloren geht.
Würdest du denn bestätigen, dass es zwischen euch noch LIEBE gibt? Zitat:Wir haben uns dann zusammen eine neue Wohnung gesucht. Da die neue Wohnung auch wesentlich günstiger war als die alte, konnte Mann höhere Raten zahlen und innerhalb eines Jahres waren wir bzw. er schuldenfrei. Dort im Ort konnten wir einen weiteren Traum meines Mannes erfüllen. Wir haben einen Schrebergarten gekauft. Im August haben wir den Garten gekauft und im November war ich ohne ärztliche Hilfe mit 32 Jahren schwanger. Im Juli ist unser Kind geboren.
Hier habt ihr (möglicherweise ohne euch dessen bewusst zu sein) etwas außerordentlich Heilsames für die Beziehung getan. Ihr habt euch als Team bewiesen und gemeinsame PROJEKTE erfolgreich angepackt und durchgezogen. Das hat eure partnerschaftliche Liebe und damit eure Bewältigungsgewissheit als Paar gestärkt. Einzig die Sucht deines Mannes blieb davon unberührt und hat dann auch wieder seine volle Wucht entfalten können.
Zitat:Eigentlich hätte unser Leben so schön sein können. Gemütliche Wohnung, tolle Jobs, Garten, gesundes Kind, schuldenfrei. Tja, wenn der liebe Alk. nicht wäre.
Das sollte ihm bewusst bleiben und es wäre grandios, wenn seine Einsicht dazu beitragen könnte, sich von dieser unendlichen Last durch einen Entzug ganz zu befreien. Das ist allerdings relativ unwahrscheinlich, weil er ja offensichtlich einen Zwischenweg gefunden hat.
Hast du Angst davor, dass er wieder außer Kontrolle geraten könnte? Und könntest du dir vorstellen, dann konsequent zu handeln?Zitat:Nach einer Woche ohne Kontakt ist mein Mann zu seinem langjährigen Hausarzt und hat mit dem ein sehr langes Gespräch gehabt. Daraufhin ist er zu mir gekommen und hat sich entschuldigt und konnte ganz klar äussern, was in den letzten Jahren schief gelaufen ist. Er konnte tatsächlich meine Sicht der Dinge sehen.
Das könnte eine Art Katharsis gewesen sein, eine Schlüsselsituation, in der er mit der Hilfe eines kompetenten Gesprächspartners dir die Last "Staatsfeind Nr.1" zu sein, nehmen konnte. Das ist fragil, aber je offener ihr (auch jetzt noch) darüber sprechen könnt, wie und warum er zu dieser Einsicht gelangt ist, desto stabiler könnte es werden.
Könnt ihr denn offen über seine Einsicht (und die Konsequenz daraus) reden, oder war das ein einmaliges Ereignis?Zitat: Nun läuft es hier gerade recht harmonisch in den getrennten Wohnungen.
Ich bin glücklich, dass die Zeit zu zweit und zu dritt schön gestaltet ist. Zudem habe ich Zeit für mich und fürs Kind und es ist so ruhig und es läuft. Mann ist glücklich, dass er uns nicht verliert, aber trotzdem Zeit für sich hat um vieles zu verarbeiten. Den Krebs, seine Kindheit, Dinge die ihm früher widerfahren sind, die er nicht richtig aufgearbeitet hat. Sein Hausarzt hilft ihm dabei, da Mann sich keinem fremden Therapeuten anvertrauen könnte.
In meinen Augen ist entscheidend, wie er mit dem Arzt an seiner Seite willens und in der Lage ist, sich seinen Anteilen zu stellen, sich dann aber auch zu vergeben und dich um Vergebung zu bitten für das, was er dir zugemutet hat. Im Gegenzug kannst du ihn um Vergebung bitten für das, was deine Anteile daran waren (und die kennst du besser als wir hier).
Zitat:Alles in allem haben wir gerade unseren Weg gefunden und ich bin sehr gespannt, wie es sich weiter entwickelt. Ich bin froh, dass wir uns dieses Modell mit den getrennten Wohnungen leisten können, ohne dass wir finanziell nun mit dem Rücken zur Wand stehen. Die zweite Wohnung in der Lage mit der Größe zu dem Preis kam wie ein Geschenk des Himmels.
Ja, mag sein, dass andere Kräfte dabei mitwirken. Aber die Schwerstarbeit bei der Bewältigung dieses Dilemmas habt ihr beiden geleistet. Und wenn es aktuell so ist, dass das WIR im Mittelpunkt eurer gemeinsamen Überlegungen steht, dann seid dankbar dafür aber auch stolz darauf. Das schaffen nur wenige.
Euch wurde nichts geschenkt und euch wird sicher auch in Zukunft nichts geschenkt. Aber ich habe den Eindruck, dass du dazu in der Lage bist, mit den Herausforderungen fertig zu werden, die vor dir liegen könnten.
Ich wünsche dir und euch viel Kraft für die vor euch liegenden Herausforderungen