Ihr Lieben, ich bin froh, dieses Forum entdeckt zu haben. Mein Mann (56) und ich (51) sind 21 Jahre verheiratet, 25 Jahre zusammen. Wir haben immer eine sehr gute Ehe auf Augenhöhe geführt. Freunde beneideten uns, dass wir auch nach so langer Zeit immer noch ausgewogene, respektvolle Gespräche miteinander führten. Bei Diskrepanzen gab es abends eine Flasche Wein und wir redeten. Wir haben einen Sohn, 19 Jahre, in der Ausbildung. Haus, Vermögen, gute Jobs - wir führten ein schönes Leben. Mein Mann kommt aus einer Familie, in der Liebe und Nähe eher Fremdwörter waren. Der Vater führt partriarchalisch den Hof, ist über 80 und will seinen Söhnen erst mit seinem Tod die Firma überschreiben. Es ist viel Geld und Grundbesitz im Hintergrund. Geld und Besitz stehen dort ganz oben auf der Prioritätenliste. In die Ehe musste ich mit einem Ehevertrag gehen. Ich habe es aber hinbekommen, dass nach 10 Jahren dieser Vertrag aufgelöst wurde. Mein Mann ist schon sehr auf sich bezogen, er spielt in einer Band, liebt Konzerte, reiste Springsteen in den 80er und 90ern zu allen Konzerten auf der Welt nach. Auch während der Ehe behielt er sich seine Freiräume für seine Hobbys, lange Wochenenden mit seinen Freunden, die mittlerweile vor ihm in den letzten 10 Jahren alle miteinander geschieden wurden und wieder neue Frauen haben. Er war der letzte mit einer langjährigen Ehe. Unser Intimleben war immer ziemlich gedrosselt, aber für uns war das in Ordnung. Wenn es passte, war es großartig. Nur eben nicht häufig. Also früher natürlich schon, aber im Laufe der Ehe hat dies nachgelassen und mit dem Beginn meiner Wechseljahre hatte ich noch weniger Lust und auch Probleme beim S.. Wir sprachen darüber und es war in Ordnung. Allerdings fehlte uns beiden die sonstige körperliche Nähe, also mal in den Arm nehmen, vor dem TV kuscheln oder so etwas. Er monierte es und ich sagte, mir fehlt es auch. Er möge doch mal von sich aus zeigen, was er genau möchte. Man muss schon in den Wald zuerst schreien, wenn man ein Echo haben möchte. Aber er war genauso wenig wie ich in der Lage, körperliche Nähe in den Alltag zu integrieren. Heute weiß ich, dass das unser größter Fehler war.
Mein Mann ist handwerklich nicht der Knaller, was dazu führte, dass wir für sämtliche Arbeiten Handwerker holen mussten. Ich bin immer die Macherin gewesen. Wenn der Abfluss verstopft war, bin ich diejenige gewesen, die gepümpelt hat. Im Garten musste ich den Ton angeben, also sagen, dass mal wieder geschnitten und gejätet werden muss. Ich legte vor und er hat dann die Müllberge zum Recyclinghof gefahren. Ich habe mich daran gewöhnt, diejenige zu sein, die die Dinge ins Rollen bringt. Ich komme hier vom Hundertstel ins Tausendstel, ich hoffe, ihr habt Geduld beim Lesen, sorry.
Also ich liebe meinen Mann sehr, aber wir haben es uns beide immer viel zu wenig gesagt. Es gab Unstimmigkeiten bei der Erziehung. Ich habe das Kind erzogen, er betreut und viel gespielt. Das war in den ersten Jahren in Ordnung für mich, in der Pubertätsphase nicht mehr. Mein Mann kann kein NEIN sagen und dann auch dabei bleiben oder längeren Streitgesprächen standhalten. Die Jungs waren sich dann oft einig gegen mich. Das war dann irgendwann vorbei, als unser Sohn 17/18 war. Er ist toll geraten, hat seine eigene Meinung und lebt sein mit Freunden gefülltes Leben, wohnt aber noch zu Hause. Soviel dazu.
Jetzt zur Sache: Mein Mann hat mich schon 3 x verlassen und begründete es immer mit zu wenig körperlicher Nähe. Jedesmal kam er zurück und entschuldigte sich, er wüsste gar nicht, was in ihn gefahren wäre. Wir haben doch alles, insbesondere uns und unsere Werte, unser Kind und ein stabiles Fundament, Respekt füreinander, Verlässlichkeit etc. Beim 2. Mal im Sommer 2021 hatte er bereits eine Wohnung gemietet und wollte von einem auf den anderen Tag gehen. Ich war am Ende, wir weinten und redeten und lagen uns in den Armen und er ging doch nicht, sagte, er hätte nicht gedacht, dass mich das so emotional mitnehmen würde, dass er Schluss macht. Wir fuhren anschließend in den Urlaub, hatten wunderschöne Tage, viel guten S. und fanden wieder zueinander. Ich sagte ihm, so eine Situation möchte ich bitte nie wieder erleben, wenn ihn etwas stört, möge er bitte seine Herzensdinge auch mit mir offen besprechen. Er versprach es mir. Das letzte halbe Jahr war eines der glücklichsten in meiner Ehe, weil ich dachte, wir hätten nun alles offen gesagt und beide hielten sich an das Abgesprochene. Am 27.11. hatten wir einen ganz normalen Tag im Home Office, arbeiteten wie immer vis a vis am Tisch, aßen zusammen mit unserem Sohn Mittag, wir luden zusammen in der familiären WhatsApp Gruppe meine Eltern zu Weihnachten ein, nachmittags kamen Freunde zu Besuch, meine Mann und der Freund fuhren zum Baumarkt, um Material für einen Kaminholzschuppen zu kaufen, sie kamen wieder, verstauten alles im Gartenhaus, wir redeten noch und lachten miteinander. Dann gingen die Freunde, ich machte uns eine Flasche Glühwein auf, wir lasen ein paar Nachrichten im Handy, unterhielten uns darüber. Um 20 Uhr sagte ich, wir müssen nochmal mit dem Hund raus. Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und sagte Es tut mir leid, ich verlasse Dich. Wie der Abend genau verlief kann ich nicht mehr sagen, ich verfiel in einen Nervenzusammenbruch. Er schlief im Gästezimmer und am nächsten Morgen unterschrieb er einen Mietvertrag, kaufte Möbel, richtete sich vollumfänglich neu ein, nahm nichts aus dem Haus mit und war weg. 14 Tage später plünderte er die Sparbücher. Ich sah es erst nicht, da ich erst mit meinen Nerven, dann 3 Wochen mit Corona flach lag. Er fragte kaum, wie es mir geht, ob er helfen kann. Er ist weg und seine Nachrichten sind kalt. Das Geld hat er nach Anwaltsaufforderung zur Hälfte zurücküberwiesen, er trennte sofort die Konten und ist ein anderer Mensch. Von heute auf morgen. Ich weiß jetzt, dass er mir das letzte halbe Jahr, wenn nicht sogar das ganze, zum größten Teil vorgespielt hat. Letzte Woche hat er unserem Sohn gesagt, er hätte jemanden kennengelernt. Mir sagte er es nicht. Ich war ein paar Tage mit einer Freundin im Urlaub und als ich zurückkam, erzählte es mir unser Sohn unter Tränen. Ich bin fix und fertig und vermute, es ist eine Kollegin und dass es schon viel länger gehen musste. Ich habe ihm seit dem Auszug mehrfach geschrieben, wie sehr ich ihn liebe, dass es mir leid tut, ihn vielleicht nicht genügend gesehen zu haben mit seinen Bedürfnissen, dass ich unbedingt eine Eheberatung möchte, um die Ehe zu retten. Keine Reaktion. Vis a vis kann ich nicht mit ihm sprechen, da ich ständig heule. Schriftlich kommunizieren möchte er nicht. Nur das Nötigste, wenn es ums Haus geht. Warum wir in diese Lage gekommen sind, darüber haben wir bis heute nicht gesprochen. Ein schöner Tag endete mit dem Auszug meines Mannes. Wir haben uns beide je eine Anwältin genommen. Er muss jetzt Trennungsunterhalt zahlen. Sachen holt er nur, wenn ich nicht im Haus bin, damit er mich nicht sieht. Ich denke, er schämt sich richtig und ich leide wie ein Hund, verstehe die Welt nicht mehr. Mein Fels in der Brandung ist weg, weil er sich entliebt und offensichtlich neu verliebt hat. Jemand, mit dem er wieder körperliche Nähe spüren kann. Mehr kann es nicht sein, denn wir waren immer ein verlässliches Team, haben alle Probleme gemeinsam gelöst. Ich könnte noch vieles schreiben. Nach und nach werden Verhaltensweisen aus dem letzten Jahr klarer. Im Oktober wünschte er mir eine schöne Urlaubswoche mit meiner Freundin, ich fragte ihn beim Abschied, ob alles gut für ihn ist und er bejahte es. In dieser Woche muss er die Wohnung gesucht haben, telefonierte mit mir aber noch ganz normal und sehr lange über dies und das. Wir lachten viel. Die Bombe schlug dann am WE des 1. Advents ein. Seitdem bin ich 10 Jahre gealtert. Der Mensch, mit dem ich zusammen ins Grab wollte, den ich von Herzen liebte, hat mich verlassen für eine andere. Sein Verhalten ist das eines Fremden. Es ist so verletzend . Ich möchte gern das Rad der Zeit zurückdrehen, möchte, dass er wiederkommt. Möchte keinen anderen. Kann diese Zeit allein zu Hause kaum aushalten. Mein Sohn hilft, wo er kann. Ohne ihn würde ich in Depressionen verfallen. Meint Ihr, wir haben noch eine Chance? Lieben Dank fürs Lesen und für Eure Antworten vorab.
01.03.2022 15:29 •
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