Hallo Markus,
dann sind diese 2-3 Stunden unter der Woche doch ideal für ein Ritual.
Vielleicht habt ihr ja einen Park in der Nähe Deiner Wohnung. Dann holst Du den Kleinen z.B. immer mittwochs von der Kita oder zu Hause ab (je nachdem, wie die Schließzeiten zu Deiner Arbeit passen) und ihr geht als erstes zum Bäcker für eine Brezel oder Du hast immer Karotten und Apfelschnitzel dabei. Jeden Mittwoch das gleiche, damit es sich einprägt. Und dann geht ihr z.B. mit einem Roller (gibt's für 10 Euro gebraucht) in den Park und fährt den immer gleichen Parcours ab. Irgendwann wird die dicke Eiche zu eurer Eiche, weil ihr da immer links rum müsst.
Das macht ihr bei Wind und Wetter, im Sommer wie im Winter. An der immer gleichen Stelle ein Rast bei den Enten, selbst bei strömendem Regen - dann unter großem Gelächter. Und nach z.B. einer Stunde geht ihr zu Dir nach Hause und trinkt dort je nach Jahreszeit einen heißen Kakao oder eine kalte Saftschorle. Auch da ist Routine viel besser als große Auswahl. Kannst ja immer H-Milch und diese Bananen-;oder Erdbeermixpulver vorrätig haben. Das wird nicht schlecht und ist dann euer Getränk. Dann liest Du ihm noch eins von 4 Büchern, die Du extra dafür besorgst (z.B. Leo Löwenzahn, Janosch, Weißt Du wie lieb ich Dich hab und ein Was ist Was Buch) vor und dabei kuschelt ihr auf dem Sofa. Das Kind kann aus den 4 Büchern auswählen und Du merkst sehr schnell anhand der Auswahl, wie es ihm geht. Dann bringst Du ihn nach Hause, bis er irgendwann bei Dir übernachten kann/will/darf.
Und genau das macht ihr jeden Mittwoch.
Damit wirst Du sein Fels in der Brandung, sein Ruhepol und die Person, die absolut verlässlich ist.
Begeh bloß nicht den Fehler vieler Scheidungsväter und versuch nicht, dem Kind mit immer neuen, spannenden Aktivitäten und großem Brimborium zu imponieren. Das nehmen die Lütten zwar gerne mit (wer hat nicht gerne jede Woche Kirmes). Aber Liebe und Geborgenheit und Zugehörigkeitsgefühl und Sicherheit geben die leisen Töne, die sich stets wiederholen und gleich bleiben, egal ob es der Mittwoch vor Weihnachten ist oder ein Mittwoch im April.
Nimm gerne ein Gebäck, ein Buch und einen Getränk, das Dein Kind bislang nicht ständig isst, liest oder trinkt. Denn das ist ab sofort euer Ritual und Du kannst davon ausgehen, dass Dein Kind es bis es Rentner ist mit warmen Gefühlen mit Dir verbindet. Geh davon aus, dass der Lütte schon beim vierten Mal nach seiner Brezel fragt oder ob Du seine Hasenbox (Karotten und Äpfel) dabei hast. In 2 Jahren darfst Du dann mal eines der Bücher austauschen. Aber wundere Dich nicht, wenn Dein Kind als 12jähriger noch nach einem stressigen Schultag nochmal nach dem Leo Löwenzahn Buch verlangt. Weil es ihm Geborgenheit und Sicherheit vermittelt.
Also hab die Bücher in Deiner Wohnung an einem Ehrenplatz und schmeiß sie niemals weg. Denn wenn Dein Kleiner irgendwann mal selbst Kinder hat, wird er garantiert nach diesem Hasenbuch, das wir damals gelesen haben fragen, um es seinen Kindern selbst vorzulesen. Dann sind diese 2-3 Stunden am Mittwoch wertvoller als jeder dahingedämmerte Familienabend.
Und wie mit dem Schmerz umgehen? Lass ihn zu - nur nicht an jedem Ort und zu jeder Zeit.
Die Alte hat Dir einen Dolch ins Herz gerammt und das tut verdammt weh, macht wütend und verzweifelt. Gesteh Dir zu, dass Du so fühlen darfst. Aber lass Dich nicht von Deinen Gefühlen überwältigen oder Deine Handlungen von Deinen Gefühlen diktieren. Gib den Gefühlen Raum, also weine heute und morgen Abend und trauere ausgiebig über die verlorene Einschulung als heile Familie.
Und übermorgen, an dem meisten Tagen im August und vor allem an dem Tag im September schaust Du dann ohne Trauer zuzulassen mit leiser Freude darauf, dass Du Dein drittes Kind in die Schullaufbahn begleitest und Du den ganzen Quark mit Hausaufgaben und Vokabelheften nur noch ein einziges Mal durchmachen musst. Beim Event selber sagst Du Dir immer wieder, dass die Alte und der Next sich lächerlich machen und Du froh sein kannst, diesen Blödsinn nicht mehr täglich vor Augen zu haben. Zwinker dem Kleinen zu, wenn er auf die Bühne geht. Und hab ein Schulmäppchen dabei - er wird es in Ehren halten, weil es von Papa ist. Abends gehst Du joggen und haust ein paar Mal gehörig auf einen Boxsack oder ins Kissen, um das Adrenalin des Tages aus Deinem Körper zu bekommen. Vielleicht gehst Du ja auch in die Sauna. Und bist vor allem tüchtig stolz auf Dich, dass Du trotz all der Schwierigkeiten Deinem Kind an einem so aufregenden Tag der Fels in der Brandung sein konntest. Und den Rest der Einschulungswoche lässt Du Dich so richtig gehen, um Dich dafür zu belohnen, die Faust nur in der Tasche geballt zu haben. Anspannung und Entspannung - Trauer zulassen und dunkle Gedanken wegwischen, immer im Wechsel und zu Zeiten, die DU Dir gönnst und aussuchst. Und irgendwann tut es nicht mehr so weh und Du hast Übung darin, Deine Gefühle am passenden Ort zu passender Zeit herauszulassen, um Dir an unpassenden Orten und Zeiten nicht die Blöße geben zu müssen.
Und bei den Großen denk mal nach, welche Hobbies die haben und wie Du an die rankommen kannst. Macht eines der Kinder in einem Team Sport, dann frag an (und zwar das Kind und nicht die Mutter) ob Du beim Training zusehen kannst. Nach dem Training wartest Du und lädst Dein Kind noch zu einem Burger ein. Und das jede Woche.
Hast Du einen Gamer unter Deinen Kindern, dann frag, ob ihr (immer) an einem Nachmittag bei Gamestop oder MediaMarkt stöbern (nicht kaufen!) wollt. Lass Dir die Games erklären, die das Kind gerade spielt und schaut euch die Neuerscheinungen an. Fachsimpelt über die Games Verlage und wer gerade auf welches Spiel wartet. Wünsche merkst Du Dir für Weihnachten und Geburtstag, aber erfüllst sie nicht ohne Anlass. Es geht darum, sich für das Kind zu interessieren und Präsenz zu zeigen, ein offenes Ohr zu haben und einen Anlass, sich zu treffen und auszutauschen. Es geht nicht um Konsum, schließlich bist und bleibst Du der Papa und nicht der Weihnachtsmann.
Hab keine Angst vor anfänglicher Ablehnung. Die Kids werden das vermutlich zunächst ungewohnt finden oder peinlich oder lahm. Oder testen die Ernsthaftigkeit Deines Interesses.
Macht nichts!
Auf Nachfrage: Ich bin Dein Vater und weil ich Dich jetzt nicht mehr täglich um mich habe, möchte ich Dich wenigstens ein Mal die Woche sehen. Du kannst Dir jetzt, liebes 16jähriges oder 18jähriges Kind, aussuchen, ob wir zu Gamestop, ins Café oder ins Naturkundemuseum gehen. Aber dass wir uns sehen, steht nicht zur Diskussion. Und das machen wir jetzt jede Woche um diese Uhrzeit. Verlass Dich drauf, dass ich nächste Woche hier wieder vor der Halle stehe und Dich frage, ob Du mit mir noch einen Burger essen gehst.
Mein Vater hat die Beziehung zu mir über Jahrzehnte nur über meine Mutter geführt. Sie hat mit mir alle Besorgungen gemacht, sich die Namen meiner Freunde gemerkt und nach meinem Auszug mit mir telefoniert und mich besucht - und er hat sich nach der Arbeit davon berichten lassen, war aber selbst nur selten aktiv. Und als sie starb fiel ihm erst auf, dass er nie eine direkte Vater-Kind Beziehung mit mir geführt hat. Seitdem ruft er wöchentlich zur gleichen Zeit an und fragt als erstes, wie das Wetter bei uns ist und ob alle gesund sind. Und manchmal bleibt das Gespräch oberflächlich beim Tagesgeschehen. Und manchmal geht es tiefer. Aber ich weiß, dass es diesen Fixpunkt gibt und er ruft auf die Minute pünktlich an, selbst aus dem Urlaub oder aus dem Auto, was mir zeigt, dass ihm die Verbindung viel wert ist.
Es ist also nie zu spät, um Bindung aufzubauen. Der Impuls muss eben nur vom Elternteil kommen, damit das Kind weiß, dass es keine einseitige Liebe ist.