Ich stehe vor einem Scherbenhaufen.
Ich bin seit 12 zusammenhängenden Jahren mit meiner Partnerin zusammen. Mit Auszeiten davor sind es sogar 14. Seit 4 Jahren sind wir verheiratet, seit 2 Jahren arbeitet sie in der gleichen Firma wie ich und seit 5 Monaten haben wir eine gemeinsame Wohnung gekauft. Vor 5 Tagen hat sie mir nun gesagt, dass sie keine Gefühle mehr für mich hat und die Scheidung will. Wie kam das alles?
Ich zerbrenne förmlich innerlich. Meine ganze Welt, meine ganze Zukunft, alles ist zerstört.
Das vorletzte Wochenende war die Welt noch in Ordnung. Meine Frau und ich schliefen zusammen ein, sie wie immer auf meiner Schulter. Am Morgen darauf fuhren wir zusammen in die Arbeit und der Tag nahm seinen Lauf. Am Nachmittag trat sie den Weg auf eine geplante betriebliche Schulung an. Dort sollte sie 2 Tage verbringen. Sie erzählte mir unter Tage, wie es lief und wann wir telefonieren könnten. Wir telefonierten jeden Abend. Alles war normal. Am Abreisetag war dann unsere Abmachung, dass ich sie abends von der Arbeit abhole, wenn sie zurück ist. Am Nachmittag fingen dann die Merkwürdigkeiten an. Sie schrieb mir, dass es eine Planänderung gebe. Ihre Freundin hatte einen Notfall und daher werde sie direkt nach ihrer Ankunft mit der Ubahn zu dieser Freundin fahren. Ich brauche sie nicht holen, sie würde dann mit der UBahn nach Hause kommen. Noch machte ich mir keine Gedanken, da diese Freundin seit längerem ihrem Ex-Freund hinterher rennt und ihre Gefühle immer bei meiner Frau ausschüttet. Daher sah ich darin kein Problem.
Meine Frau und ich teilen unseren Standort vom Handy. Als ich abend gegen 19 Uhr sah, dass sie an unserer Arbeitsstelle angekommen war, dachte ich mir, ich rufe sie kurz an, um zu fragen, ob die Reise gut lief und ob alles in Ordnung sei. Sie ging nicht ans Telefon und schrieb mir direkt als Antwort, dass es gerade schlecht sei, weil sie versuche, die UBahn zu erreichen und was denn los sei. Was ist denn los. Meine Frau und ich haben einen sehr liebevollen Umgang miteinander und diesen Ton kannte ich so nicht und ich wusste gar nicht, wie ich darauf antworten sollte. Bevor ich etwas Missverständliches schreibe, dachte ich mir, ich antworte erstmal nicht und hatte die Hoffnung, dass sie sich vllt. von sich aus meldet, wenn sie in der UBahn sitzt und keine Hektik mehr hat. Das trat allerdings nicht ein. Mir blieb nichts übrig, als den restlichen Abend vor dem Fernseher zu verbringen. Da die Treffen zwischen meiner Frau und ihrer Freundin öfters länger als kürzer dauern, stellte ich mich schon darauf ein, dass ich sie wohl erst spät abend sehen würde. Ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich ein ungutes Gefühl bei dieser Sache hatte. Aber genauso schnell versuchte ich mich zu beruhigen.
Als ich dann abends um 11 ins Bett ging und ich immer noch nichts von ihr gehört hatte, konnte ich meine Unruhe nicht mehr unterdrücken. Ich machte mit dem Handy neben dem Bett das Licht aus und wartete (schlafen konnte ich eh nicht). Kurze Zeit später bekam ich dann eine Nachricht von ihr: Sie übernachte heute bei ihrer Freundin. Kann nicht alleine sein und wir würden uns morgen in der Arbeit sehen und ich solle gut schlafen. An dieser Nachricht war so ziemlich alles falsch. Der Ton; die Art und Weise, wie sei formuliert war; das Fehlen von Kuss-Smileys oder andere Liebesbekundungen; einfach alles. Sofort fragte ich, ob ich kurz anrufen könne. Sie verneinte, da sie noch im Gespräch seien. Ich war perplex. Ich schrieb noch, dass sie mir fehlte und ich sie lieb habe. Es kam als Antwort nur ein Tut mir Leid und Schlaf gut bis morgen in der Arbeit. Die Nacht war schrecklich. Ich konnte nicht gut schlafen und Ängste umtrieben mich.
Am nächsten Tag fuhr ich dann mit einem unguten Gefühl in die Arbeit. Was würde auf mich zukommen? Wie sollte ich reagieren? Sollte ich meine Frau aufsuchen? Oder sollte ich warten, bis sie auf mich zukommt? Ich war paralysiert. Die ersten Stunden vergingen und meine Frau war noch nicht im Büro (man sieht die Anwesenheit im Unternehmenschat). Gegen 9 meinte mein Kollege, dass meine Frau mich eben gesucht habe (ich war auf der Toilette). Also ging ich ein Stockwerk tiefer zu dem Arbeitsplatz meiner Frau. Zu dem Moment war aber nur ein Kollege da, der meinte, dass grade noch da war. Eine halbe Stunde später schrieb ich sie mal an, ob wir einen Kaffee zusammen trinken wollten. Sie bejahte und wir trafen uns. Ich fragte sie, was denn nun mit ihrer Freundin gewesen sei. Sei meinte geheimnistuerisch Das Übliche. Daraufhin erwidere ich, ob sie nicht mehr erzählen könne. Sie meinte nur, dass das in der Arbeit unpassend sei und sie mich auf später daheim vertröstete. Als wir nach Feierabend zusammen ins Auto einstiegen, stellte ich die gleiche Frage nochmal. Ihre Reaktion war dieselbe. Spätestens da gingen alle Alarmglocken an. Der Heimweg war schrecklich, mir gingen 1000 Gedanken durch den Kopf. Ich hielt meine Hand auf ihren Schenkel (so wie ich es immer tat), bekam dieses Mal aber keinerlei Reaktion. Irgendwann fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen: der vermeintliche Notfall der Freundin von gestern war genau umgekehrt. Meine Frau hatte den Notfall!
Als wir zuhause ankamen, stellte ich Sie erneut zur Rede und wollte wissen, was denn jetzt eigentlich los sei. Mit vielsagendem und schweren Blick sagte sie mir, ich solle mich am Besten erst mal hinsetzen. Dann war alles klar. Ihr selber fielen die Worte schwer. Sie stammelte etwas von wenn sie sich nicht wirklich sicher gewesen wäre, hätte sie eine Auszeit gemacht und etwas von meinem Kinderwunsch. Aber auch wenn sie mir alles deutlich erklärt hätte, hätte ich es nicht wargenommen. In mir gingen alle Lichter aus und Panik breitete sich in mir aus. Fluchtartig packte ich nur noch ein paar Klamotten in meine Tasche. Tränen rannen über meine Wangen. Bevor ich etwas sagen würde, was ich später bereuen würde, sprang ich ins Auto und fuhr einfach weg. Ich konnte noch hören, wie sie mir hinterher rief, dass ich in diesem Zustand nicht fahren könne.
Die darauffolgende Nacht verbrachte ich bei meinem Vater. Ich wusste, dass es aus war. Auch wenn ein Teil von mir es nicht wahrhaben wollte. Für den nächsten Tag meldete ich mich krank. Ich schrieb meiner Frau, dass ich heimkommen würde und gerne mit ihr reden würde. Dass es mir Leid tat, dass ich den Tag zuvor nicht dazu in der Lage war. Sie meinte, dass sie froh sei, dass es mir gut ginge und dass sie heute länger arbeiten müsse und noch nicht wisse, ob es heute oder morgen mit dem Reden klappen würde.
Das Gefühl, deine eigene Wohnung an diesem Tag zu betreten und nicht zu wissen, was einen erwartet, war schrecklich. Ich sah, dass sie einen Trolley mit einigen Klamotten mitgenommen hatte und ausserdem einige Dokumente (Gehaltsnachweise, Zeugnisse, Reisepass). Was sollte ich davon denken? Nach einer Kurzschlussreaktion schien das nicht. Den Tag über vegetierte ich so vor mich hin. Irgendwann schrieb ich ihr, dass ich so nicht weitermachen könne und ich noch heute mit ihre reden wollen würde. Das verstand sie und so kam sie dann am späten Nachmittag nach Hause. Ich beschloss, mit ihr spazieren zu gehen und die Sache zu bereden. Wir spazierten eine gute Stunde und sie erklärte mir alles, soweit sie konnte:
In der letzten Zeit war etwas in ihr, dass sie nicht benennen konnte und mit dem sie sich auch nicht unbedingt auseinander setzen wollte. Zudem war durch den Alltag und die viele gemeinsame Zeit auch nicht die Zeit, sich damit zu befassen. Sie merkte, dass sie bei einigen Reaktionen mir gegenüber harsch oder ungehalten war, was sie selber verwunderte. Sie sprach einen Vorfall vor ca. 3 Wochen an:
sie stand in der Küche und hatte das Gefühl, dass ihr die Luft zum Atmen fehlt. In dem Moment kam ich in Küche und fragte, ob alles ok sei. Daraufhin platzte es aus ihr heraus, dass sie langsam keine Lust mehr aufs Kinderkriegen hat (wir versuchen es seit ca. 1 Jahr). Dass es so enttäuschend sei, dass es immer wieder nicht klappt und sie sich immer zurück nehmen müsse. Ich nahm sie in den Arm und meinte, dass es doch alles ok ist und wir uns doch keinen Stress machen müssten. Dass wir es lockerer angehen lassen. Sie konnte sich aber nicht beruhigen und meinte weiter, dass sie vllt. gar keine Kinder mehr wolle. Das war für mich erstmal ein Tiefschlag, weil wir seit langem über Kinder reden. In dem Moment fielen mir erstmal auch die Worte und ich zog mich auch zurück. An diesem Abend lagen wir wortlos auf dem Sofa. Doch wenig später suchte sie dann das Gespräch und meinte, ob ich nichts dazu zu sagen hätte. Dann kam ein Dialog zustande. Ich erklärte ihr, dass ich das erst verdauen müsste. Wenn ich mir die Zukunft malen könnte, dann wäre das mit ihr und einem Kind als Kirsche auf der Sahne. Aber wenn es anders käme, dann wäre das auch in Ordnung für mich. Das Wichtigste sei, dass wir zusammen seien. Sie meinte, dass sie das verstünde aber ich auch verstehen solle, dass sie erstmal diesen Zyklus keinen S. haben wolle, denn Silvester stand auch vor der Tür. An diesem Abend war es dann wieder gut zwischen uns, wobei ich gestehen muss, dass mir das Thema mir noch ein/zwei Tage nachging. Doch dann war es für mich wieder ok.
Aber auch das war laut ihr nicht der Grund für die Trennung. Denn es gab nicht DEN Grund. Sie merkte nur dieses Etwas in sich. Und dann kam der Moment, als sie für zwei Tage auf eine Schulung in einer anderen Stadt war. Als sie Abends im Hotel war, hatte sie Zeit und Abstand, in sich einzutauchen und dieses Etwas zu erkunden. Und dann erkannte sie, dass sie mich nicht mehr liebte. Sie meinte, ich bin ihr bester Freund und wir haben unser halbes Leben miteinander verbracht, kennen uns in vielerlei Hinsicht besser als uns selbst. Aber die Liebe war nicht mehr da. Vier Jahre glückliche Ehe und 12 Jahre Beziehung. Ich sagte, sie solle nicht einfach alles hinwerfen. Solle um unsere Ehe kämpfen. Ich würde es auch. In Guten wie in Schlechten Zeiten heißt es doch. Oder eine Pause voneinander. Oder eine Hilfe durch jemanden Dritten. Oder, oder, oder. Sie sei sich aber sicher und war fest in ihrer Meinung. Es sei aus. Keine andere Option. In guten wie in schlechten Zeiten bringe nichts, wenn die Liebe nicht mehr da ist. So sie. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, mich zu belügen und einen Seitensprung zu erfinden.
Das Wochenende über blieb sie bei einer Freundin und wir hatten keinen Kontakt. Mein Bruder und mein bester Freund (=Trauzeige) kamen sofort vorbei und verbrachten die Nacht bei mir. Das Wochenende war schrecklich. Ohne Alk. konnte ich nicht schlafen und wenn ich dann früh morgens wieder klar im Kopf war, zerbrach ich mir den Kopf, wie ich mir das Leben nehmen könnte. Hätte ich doch nur eine Pistole. Das ging so schnell.
Am Sonntag meldete sie sich dann und fragte, ob sie kommen könne, weil sie ihre Wäsche waschen müsse. Sie könne ihre Matraze in eine Nebenzimmer legen. Als sie dann abends kam, redeten wir nochmal, aber es änderte sich nichts. Sie kam mir sogar schon mit technischen Themen wie Scheidungsjahr, getrennte Haushalte, wie es mit der Wohnung weiterginge. Sie wolle mir auch die Wohnung vollständig überschreiben und auch sonst finanzielle Nachteile in Kauf nehmen. Darum ginge es ihr auch nicht. Für solche Themen hatte ich überhaupt keinen Kopf.
Für mich war es selbstverständlich, dass sie im Bett schlafen sollte. Ich nahm mir eine Luftmatraze und wich ins Gästezimmer aus. Natürlich schlief ich kaum. Am Morgen darauf machten wir uns unabhängig voneinander fertig. Ich fuhr dann mit dem Auto in die Arbeit, sie nahm den ÖPNV. Ich konnte erstmal nicht unter einem Dach mit ihr sein und ging nach der Arbeit nach Hause und nahm ein paar Sachen zum Schlafen mit und quartierte mich bei einem Freund ein. Ich schrieb ihr Abends, dass sie wisse, dass ich nicht heimkommen werde. Sie bedankte sich, dass ich ihr Raum lasse.
Ich lasse es offen, wann ich wieder zuhause schlafe. Drei Nächte habe ich jetzt schon ausser Haus (Freund, Hotel) verbracht und gebe ihr jedes Mal Bescheid, dass ich Abends nicht nach Hause komme und sie sich keine Sorgen machen solle, sondern einen schönen Abend. Wenn wir uns schreiben, gehen wir auf eine komische Art und Weise liebevoll und rücksichtsvoll miteinander um. Aber natürlich ist es nicht eine Kommunikation wie früher. Gestern traf ich meinen Trauzeugen. Er erzählte, dass er am Vorabend mit ihr lange telefonierte. Ich wollte das nicht. Ich hätte es besser gefunden, dass man sich erstmal Raum lässt. Er sagte mir, dass ich mir keine Hoffnungen mehr machen solle. Sie hat mit dem Thema abgeschlossen. Sie leidet zwar mit mir und ihr gehe es auch nicht gut. Aber sie ist in ihrer Entscheidung sicher.
Tja, das ist meine Geschichte. Ich kann es nicht verstehen, dass man das Gemeinsame Leben so schnell aufgibt. Man hat sich soviel aufgebaut und wirft es einfach weg. Von vielen höre ich, dass man uns als harmonisches Traumpaar wahrnahm. So nahm ich uns bis zuletzt auch wahr. Wir waren ein tolles Team. Wir lachten wahnsinnig viel und hatten uns unseren eigenen Humor mit Wortneuschöpfungen erschaffen. Sie sehe ich als meinen Seelenverwandten und besten Freund in einem.
Natürlich verändert sich Liebe. Ich habe sie auch nicht immer gleich geliebt und manchmal vielleicht auch gar nicht. Aber das gehört zum Spiel. So denke ich. Wenn es einen handfesten Grund geben würde, wäre es vllt. leichter zu verarbeiten. Aber einfach so? Vermutlich werde ich das nie verstehen.
01.02.2019 12:11 •
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