Hallo allerseits,
auch ich muss jetzt einfach Mal meine Geschichte aufschreiben.
Sie ist genau wie unzählige andere, ich muss mich trotzdem sortieren. Tagebuch liegt mir nicht und ihr macht hier alle einen netten Eindruck.
Kennen gelernt haben wir uns 2009 in der Arbeit. Ich in einer unglücklichen Wochenendbeziehung, er mein neuer Schichtpartner. Ein halbes Jahr später war ich ausgezogen, halb zu ihm, halb zurück zu meinen Eltern. Nach zwei Jahren in etwa hat er sich getrennt. Unbegründet bzw. wegen einer anderen und dem neuen Mitbewohner. Ich habe mich verhalten wie ein verletztes Tier, hab mich selbst deswegen nicht gemocht, war erschrocken was das bei mir auslösen kann, wie ich sein kann.
Ich habe mich am Riemen gerissen so gut es ging. Eine WG gefunden, war alleine im Urlaub, hab mir ein Tattoo stechen lassen, beschlossen dass ich die Stadt verlassen muss weil er zu nah und immernoch beim selben Arbeitgeber war. Hab Handynummer gewechselt. Am anderen Ende des Bundeslandes angefangen zu studieren. Ich hab mich derappelt, war glücklich. Hatte ein paar Beziehungsansätze, nichts was funktioniert hätte. Habe neben dem Studium um mir das zu finanzieren weiter beim selben Arbeitgeber gearbeitet. Hab Hochschule und Stadt gewechselt. Hab angefangen in der Heimatstadt bei einem Veranstalter zu arbeiten. Alles war quasi gut.
Und dann kam, im letzten Semester, eine SMS von unbekannter Nummer. Er steckte dahinter, suchte Kontakt. Nach fast 5 Jahren. Ich war geschockt, wollte das nicht. Scheinbar wusste er welche Knöpfe er drücken muss. Nach einem guten halben Jahr hat er mich in den Urlaub eingeladen. Ich habe auf getrennte Zimmer bestanden. Das Resultat war klar. Wir haben es langsam angehen lassen, es hat funktioniert. Es war so richtig. Ich habe mich erfüllt gefühlt. Irgendwann kam seine Mutter zurück aus dem Ausland, zeitgleich ist meine Mitbewohnerin ausgezogen. Also er zu mir gezogen. War schön. Endlich kein auf seine angekündigten Anrufe mehr warten, im Schichtdienst eh angenehmer, sich ein Zuhause zu teilen. Wir haben, weil er das völlig überstürzt wollte, einen alten VW Bus gekauft. Wir sind damit quer durch Europa gefahren, haben Grundstücke gepflegt, die seiner erweiterten Familie gehören, haben Olivenöl mitgebracht. Hatten jldas Projekt VW Bus und das Projekt dieser Grundstücke. Haben überlegt, ob wir dort länger hin gehen können, ob wir wollen, wie wir leben wollen.
Dass es unsere Stadt und unsere Wohnung nicht auf Dauer sein kann, haben wir beide festgestellt. Haben Platz zum schrauben gesucht, gefunden, wieder verloren.
Und dann brach es, während der Pandemie, von außen auf uns herein. Meine Mama ist schwer erkrankt, sehr schnelle Demenz mit nur ganz kurzer Prognose. Ich habe mich in jeder freien Minute bemüht, meine Eltern zu unterstützen. Und mich dabei selbst verloren. Er fuhr alleine 5 Wochen in den Urlaub, zu seinem alten und auch schon kranken Ziehvater. Ich bin alleine Zuhause zusammen gebrochen, bin seit dem in Therapie, Anpassungsstörung mit Depression.
Anfang des Sommers ist ein guter Freund von uns und seinem Ziehvater gestorben. Kurz darauf dann sein Ziehvater und drei Monate später sein Opa. Ich habe versucht, so gut ich kann zu unterstützen, war und bin aber sehr mit meiner Mama beschäftigt. Von ihm kam eher abwertendes zu meinen Eltern, Vorträge wie man mit dementen umgeht und nur einmal zwischendrin seine Überforderung zu Tage. Ich habe dann von meiner Seite keine Hilfe mehr eingefordert.
Wir haben uns natürlich entfernt. Es war für uns beide sehr sehr viel. Er wollte statt reden lieber Podcast hören, ich statt 6 lieber emotionalen Support.
Eine klassische loose-loose Situation.
Dieses Frühjahr haben wir uns auf dem Urlaub gefreut, ich auf die Pause von der Pflegearbeit. Ich wollte es möglichst ruhig, möglichst viel Zeit mit ihm in der Hoffnung auf austausch. Leider waren dann doch zu viele Menschen um uns herum. Zu viel zu tun und eben keine gemeinsame Zeit. Zudem hat er sich eine Rippe gebrochen und das zum Anlass genommen, sich die Rosinen an Aufgaben heraus zu picken. Die 2000km zurück sollte ich dann alleine das Auto fahren.
Zurück Zuhause ist er dann, weil noch krank geschrieben, Bekannte besuchen gefahren. Die haben sich getrennt, müssen aber noch zusammen wohnen. Und er hat ziemlich viele, auch gescheiterte aber wohl irgendwie freie Menschen kennen gelernt.
Er kam zurück und sagte: ich möchte diese Beziehung nicht mehr, die passt nicht in meine aktuelle Lebensphase. Aber vielleicht schon, irgendwie ist es hier ja doch schön. Aber ich weiß es nicht.
Er bat an, auf der Couch zu schlafen. Weigerte sich dann aber doch weil das Bett ist ja bequemer. Er hat angeboten, zurück zu seiner Mutter zu gehen, meinte aber das ja weder sie noch er das wollen würden.
Also bin ich in den Bus gezogen, hab am Straßenrand gewohnt, versucht weiter meine Eltern zu unterstützen und zu arbeiten.
In einzelnen Gesprächen die wir seitdem geführt haben, drehte sich alles um ihn, seinen Freiheitsdrang, dass er eine vorgezogene Midlife-Crisis hat, dass er Baustellen hat an denen er arbeiten muss.
Die Warnzeichen waren die gesamte Beziehung da, ich habe sie nur ignoriert.
Letztendlich habe ich ihn dann doch aus der Wohnung geschmissen, den Mietvertrag gekündigt, einen Schlussstrich gezogen.
Es geht mir beschissen.
Ich habe mich durch die Pflege meiner Mama aufgearbeitet, mich selbst verloren. Mit ihm ist nun mein letztes bisschen Stütze und all meine Zukunftshoffnung verschwunden.
Ich habe keine Kraft, unsere Projekte aufzuteilen, keine Kraft umzuziehen.
Ich kann nicht in der Wohnung sein, da sind seine und meine und gemeinsame Sachen. Mich belastet der VW Bus, daran ist zu viel zu tun um das neben der Pflege meiner Mama zu stemmen.
Und vor allem fehlt mir die Kraft, meine Eltern zu unterstützen und die wenige Zeit die uns vielleicht nur noch bleibt mit ihr gemeinsam zu verbringen.
Ich war schon am Therapie ausschleichen, weil es wieder ging. Tja Hallo, da bin ich wieder.
Heute sind es genau vier Wochen seit seiner Rückkehr und seiner unvollständigen Trennung. Wenn es tatsächlich mindestens einen Monat pro Beziehungsjahr dauert, bis man einigermaßen klar kommt, hoffe ich dass meine Mama so lange durchhält.
Ich werde hier noch viel schreiben müssen, um einigermaßen aufzuarbeiten.
21.06.2022 20:36 •
x 8 #1