Hallo!
Liebe @grace-99
Natürlich wollte ich Dir nicht unterstellen, Du hättest diese große Liebe nicht auch selber kennengelernt. Das liegt ja auch nicht in meinem Ermessen.
Meine Antwort war zwar an Dich gerichtet, war aber eigentlich allgemein gemeint. (Wegen des Themas beerdigen).
Es ist natürlich auch so, daß jeder anders damit umgeht, die Dinge anders erlebt, und wenn eine Verzweiflung ausbricht, daß man nahezu an ihr zugrunde geht, dann muß man natürlich auch etwas dagegen unternehmen, um nicht tatsächlich völlig zu zerbrechen und unterzugehen.
Die Menschen trauern ja auch sehr unterschiedlich. Manche brechen völlig zusammen, andere werden eher melancholisch, andere auch aggressiv, je nach Natur und Wesen.
Ich meine aber dennoch, daß man eine große Liebe nicht notwendigerweise (nach einer Trennung) beerdigen muß, manche könnten das auch gar nicht oder es wäre wirkungslos oder sie würden vielleicht feststellen, daß sie sich nur selber etwas vormachen.
Bei Dir scheint es aber auch insoferne etwas anders zu sein, da Dein damals Liebster tragischerweise bei einem Unfall ums Leben gekommen ist (was mir sehr leid tut). Auch wenn die Trennung, wie ich annehme, schon davor geschehen ist, ist es etwas anders als bei Trollbunden, der offenbar ja nicht wußte, was mit seiner großen Liebe geworden ist. Denn dann kann es eben geschehen, daß ein gewisses Band bestehen bleibt, vielleicht auf einer unbewußten Ebene, und eine gewisse subtile Verbindung fortbesteht, ohne daß man das bewußt erfassen kann und vielleicht sogar, ohne daß man das selber wollte.
Natürlich wird es auch vorkommen, daß sich jemand selber in etwas ganz übertrieben hineinsteigert und eine große Liebe sieht, wo eigentlich gar keine ist. Aber das kann man nicht in jedem Fall so sehen.
Was mich bei der Geschichte von Trollbunden hat aufhorchen lassen, war eben, daß er geschrieben hat, er hatte das Gefühl, diese Frau sei genau jene, nach der sich sein Unbewußtes schon immer gesehnt hatte. Denn ich kann das wirklich nachvollziehen und bin mir auch sicher, daß es das tatsächlich gibt. Es ist gewissermaßen das Spiegelbild des eigenen Unbewußten (wobei mir dieser Ausdruck Spiegelbild nicht sonderlich gefällt, weil dies ja eigentlich den Gegensatz in allem ausdrücken würde - und so ist das auch wieder nicht, und es würde auch nicht funktionieren).
Ich glaube, am besten wird das wirklich ausgedrückt in diesem Mythos von den zwei Häften, die das ganze Leben auf der Suche nach der jeweils anderen sind. Aber natürlich - das ist nur ein Mythos, der aber durchaus seine Gründe hat.
Ich gebe Dir auch recht, daß man in manchen Situationen seinen Kopf walten lassen muß - wenn man es denn kann. Nicht jeder schafft das und auch nicht jeder will das unbedingt. Wir sind zwar mehr oder weniger alle zeitgeistige Rationalisten mit Gefühlsanhängseln, aber dennoch gibt es noch welche, bei denen doch das Gefühl, das Emotionale bei weitem überwiegt und die dann eben auch nicht einfach den Verstand einschalten können, sondern tatsächlich herumhängen wie die Gebrochenen der Romantik-Periode.
Jedenfalls freut es mich für Dich, daß Du dann doch wieder einen Partner gefunden hast, den Du liebst und der der richtige an Deiner Seite ist! Wenn das gelingt, ist es ja wunderbar, und es gibt nichts, das dagegen sprechen würde.
@ TooLate
Ja, logischerweise müßte man annehmen, daß diese Liebe, die ich meine und von der Trollbunden spricht, auf beiden Seiten so intensiv ist. Doch um Logik geht es hier eben nicht.
Man muß vor allem zwei Dinge bedenken:
Zum einen, wie bereits gesagt, besteht der Mensch ja durchaus nicht nur aus Liebe. Er hat auch sein Ego, mit all seinen Wünschen, Plänen, Prinzipien, Vorstellungen, Verletzlichkeiten, Seltsamkeiten, Schwachstellen, seinen eigenen Mechanismen, Reaktionsweisen, seinem Stolz usw. Und gerade, wenn es sich um eine solche große Liebe handelt, kann das eine oder andere ein enormes Gewicht bekommen. Also daß z. B. die Eifersucht ein Ausmaß annimmt, das nicht auszuhalten ist. Oder das schon der kleinste Vorfall zur Tragödie wird, die eine große Enttäuschtheit und Verletztheit nach sich zieht, was wiederum zu ganz irrationalen Reaktionen führen kann, bis hin zu einer Trennung aus gekränkter Eitelkeit und ein Umschalten auf Sturheit oder auch Arroganz, was auch immer. Wie gesagt, einer großen Liebe muß man menschlich gewachsen sein. Gerade eine große Liebe ist auch viel gefährdeter als eine gewöhnliche oder eine arrangierte Beziehung. Weil man eben für alles viel empfänglicher ist, auch für Verletzungen, Gekränktheit usw., weil vielleicht auch die Verlustängste viel größer sind, nicht zuletzt, weil um der idealen Harmonie willen vieles eine Zeitlang unter den Teppich gekehrt wird, weil man meint, der andere müsse alles von sich aus spüren und wahrnehmen, nah, wie man sich ist, und man bräuchte darüber gar nicht zu reden. Auch das Vertrauen kann viel schneller zerbrechen. Hier gibt es viele Fallstricke, und man braucht eben eine große Stärke, um diesen gewachsen zu sein, und vor allem auch den Willen, gemeinsam bis ans Ende der Welt zu gehen, komme, was wolle. Ansonsten ist die Gefahr des Scheiterns sehr hoch, weil auch die Erwartungen, Empfindlichkeiten und Intoleranzen viel höher sind als meinetwegen bei einer Vernunftbeziehung.
Zum anderen gibt es ja keinen Maßstab für die Liebe. D. h., auch wenn es für beide die große Liebe ist (die für beide höchstmögliche, wenn man so will), heißt das nicht, daß die Liebe des einen nicht 100x stärker ist als jene des anderen und Liebe grundsätzlich für den einen viel mehr Bedeutung haben kann als für den anderen. Das hängt ja von der grundlegenden Natur eines Menschen ab. Ein Kopfmensch etwa wird der Liebe keinen so großen Stellenwert beimessen als ein Gefühlsmensch. Und wenn es dann geschieht, daß der Kopfmensch mit dem anderen seine Pläne nicht verwirklichbar sieht, wird er sich in den meisten Fällen eben trennen. Oder nicht anders ein meinetwegen traumatisierter Mensch. Sobald da ein wunder Punkt getroffen wird, kann er oft gar nicht anders, als sich zu trennen, selbst wenn er noch so liebt. Es gibt einfach etwas anderes, das stärker ist als die Liebe. Und dieses Stärkere, was immer es ist, zertrümmert dann die Liebe. Es kann sogar die Sehnsucht nach dem anderen durchaus bestehen bleiben, aber wenn man in Fesseln liegt, hilft das auch nichts. Manche bezwingen ihre Liebe ja geradezu mit allen Mitteln und aller Macht. Und kommen irgendwann vielleicht sogar dahinter, daß der andere überhaupt das größte A...loch war, das ihnen jemals untergekommen ist. Es wird einfach alles ins Gegenteil verkehrt, um sich vor der eigenen Liebe und der eigenen Sehnsucht zu retten.
Man muß halt immer bedenken: die Liebe ist das eine, der Mensch das andere. Und wenn eine solche große Liebe auch wirklich von Dauer ist, sofern man sie überhaupt findet, ist das ein wirklicher Glücksfall, dessen Wahrscheinlichkeit vermutlich in der Höhe eines Lottohauptreffers liegt.
Liebe Grüße
26.06.2016 01:33 •
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